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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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sich selbst als Soldaten in einem Krieg, Männer und Frauen gleichermaßen, denn so verhielten sie sich, so sprachen sie, kalt, knapp und verantwortungsbewusst. Niemand lächelte. Vielleicht lebten sie in Gedanken immer noch in der großen Zeit der Partisanen, der Okkupation, des Freien Frankreichs. Mochten sie auch aussehen, als rechneten sie damit, dass der Krieg morgen ausbrechen könnte, das Gespräch drehte sich um eine Veranstaltung zum Geldauftreiben im
Quartier
. Nach ungefähr einer Stunde wurde ich aufgefordert zu gehen. Tristan fragte, was ich von ihnen hielte, und ich antwortete, dass ich mich nicht mehr wundere, wieso es den Engländern und den Franzosen so schwer falle, miteinander auszukommen. Brauchten sie wirklich eine derart militärische Atmosphäre? Schließlich waren seit dem Ende der deutschen Besatzung an die zehn Jahre vergangen. Er sagte sanft und in verzeihendem Ton, dass ich die Stärke des Feindes unterschätzte. Als ich
The Writers’ Group
von diesem Besuch berichtete, hieß es, dergleichen sei von den Franzosen zu erwarten. Sie müssten alles dramatisieren.
    Ich glaube, es hat nicht mehr als zehn Versammlungen von
The Writers’ Group
gegeben. Wenn wir über Literatur diskutierten, spielte die Parteilinie nicht die geringste Rolle, und wir äußerten uns kritisch über den »sozialistischen Realismus«. Was mich anging, so erklärten mir die Genossen, meine Beiträge zum Parteidenken zusammenfassend, dass ich Fragen zur Sprache brächte, die entweder vorher niemandem eingefallen seien oder Lösungen hätten, die so offensichtlich seien, dass niemand auch nur im Traum daran denke, seine Zeit mit ihnen zu verschwenden. Mein Problem sei, dass ich den Unterschied nicht erkennen könne.
     
    The Writers’ Group
brachte mich in eine wahrhaft lächerliche Situation. Montagu Slater und John Sommerfield informierten mich, dass sie an der jährlichen Generalversammlung der »Society of Authors« teilgenommen hätten, einer autoritären, undemokratischen Organisation, die von einer nur sich selbst verpflichteten Oligarchie geleitet werde. [5] Kein Parteimitglied gehe bis jetzt zu deren Versammlungen. Sie hätten darum mich für das geschäftsführende Komitee benannt. Ich war wütend, erklärte, es sei mir ernst gewesen, als ich sagte, wie sehr ich Versammlungen hasste, ich würde nicht hingehen. Zu spät, sagten sie vergnügt, und schließlich müsste ich als Parteimitglied ja auch einmal etwas tun. Ich könne es ja als eine meiner revolutionären Pflichten betrachten. Sie sagten das mit jenem zynischen Unterton von Freude am Widersinn, der mir so vertraut war. So saß ich eines Tages in jenem hübschen Haus in Chelsea in einer Versammlung, um meinen Beitrag zur Erledigung der Angelegenheiten der Society abzuleisten. Natürlich wussten alle, dass ich Kommunistin war, schließlich war ich von Kommunisten vorgeschlagen worden, und sie sahen in mir eine Art Brückenkopf einer anstürmenden Streitmacht. Sie erwarteten von mir die den Genossen eigene Unaufrichtigkeit und Doppelzüngigkeit. Schließlich waren sie über die Verhaltensweisen der Partei, da einige von ihnen ihr vermutlich angehört oder nahegestanden hatten, bestens informiert. Ich kann mich an niemanden dort konkret erinnern. Eine junge Frau verkündete, sie sei eine Konservative. Sie sei da, um ein Gegengewicht zu mir als subversiver Person zu bilden. Sie bedachte mich fortwährend mit einem spöttisch wissenden Blick. Ich wünschte, ich könnte mich erinnern, wer sie war. Was mich betraf, so war ich deprimiert und entmutigt. Ich wusste nichts über die die Literatur und Politik betreffenden Tagesfragen der damaligen literarischen Öffentlichkeit, und sie waren mir auch herzlich gleichgültig, weil die mit dem Schreiben verbundenen Schwierigkeiten mich völlig in Beschlag genommen hatten und mich meine privaten Probleme zur Genüge beanspruchten: Geld, mein Kind, meine Mutter, meine Psychotherapeutin, mein Liebhaber und – nicht zuletzt – der Wunsch, mich unbemerkt aus der Partei davonstehlen zu können. Denn dies war eine Zeit, in der jeder Austritt einer bekannten Person aus der Partei einen Pressewirbel auslöste: »Der und der hat die kommunistische Hölle verlassen.« – »Kommunistische Parteigeheimnisse enthüllt.« Ständig begegnete man Exgenossen, die sich entschuldigten: »Es tut mir furchtbar leid, das habe ich nicht gesagt. Sie haben sich das alles aus den Fingern gesogen.« (Damals wie heute.)
    Ich gehörte dem

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