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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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andere Leute. Das waren früher die Verleger. Die Verlagsszene hat sich dermaßen verändert, dass man sich heute nur schwer vorstellen kann, dass ihr Herzstück einst das Verhältnis zwischen dem Verleger als Individuum und dem Autor war. In den Fünfzigern war jeder Verlag von einem einzigen Mann gegründet worden – damals waren es Männer –, der die Literatur liebte. Oft hatten sie alles aufs Spiel gesetzt, was sie besaßen, hatten gewöhnlich zu wenig Kapital, und ja, oft waren sie schlechte Geschäftsleute. Sie hielten ständig Ausschau nach neuen Autoren, umsorgten sie, hielten Bücher vorrätig, von denen sich vielleicht nur ein paar hundert Exemplare verkauften. Der heutige Zustand, wo alles auf ein paar Wochen intensiven Verkaufens abgestellt ist, geht eigentlich auf einen Scherz zurück, der – wie das so oft der Fall ist – bald kein Scherz mehr war, sondern die exakte Beschreibung dessen, was heute im Verlagswesen gang und gäbe ist. »Das Regalleben dieses Buches ist oder war soundso lang.« Sechs Wochen. Zwei Monate.
    Ein Beispiel für das Gegenteil dessen, woran wir uns inzwischen so gewöhnt haben. 1949 nahm ein Mann namens Frank Rudman sein Entlassungsgeld von 100  Pfund und brachte, in drei Dachkammern in Bloomsbury arbeitend, jährlich sechzig Titel heraus. Das war Ace Books, der Beginn der Taschenbuch-Revolution, und in seinem Programm finden sich sämtliche guten Autoren jener Zeit vom europäischen Kontinent, aus Amerika und der Karibik. Ich vermute, dass niemand viel Geld verdiente. Frank Rudman liebte es, seine Geschäfte, wann immer er konnte, vom nächsten Pub aus zu führen.
    Der erste Roman oder ein Band Erzählungen wurde am Leben erhalten, nicht verramscht. Der zweite Roman, stets eine riskante Unternehmung, wurde ebenso umsorgt. In der literarischen Welt gewann mit einem Mal ein Name an Klang. Ein drittes Buch, vielleicht ein viertes. Durchaus möglich, dass keines von ihnen sich mehr als ein paar hundert Mal verkaufte. Und dann, aus irgendeinem Grund, kommt der Durchbruch. Es erhält einen Preis – von denen es damals nur wenige gab – oder wird im Radio erwähnt. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass ein unsichtbares Maß an Entgegenkommen über die Zeit gewachsen ist und dann ein Moment eintritt, an dem sich gewissermaßen die Waagschale neigt: Der Autor hat jetzt eine feste Leserschaft, eine Gemeinde, die nach einem neuen Buch von ihm oder ihr Ausschau hält. Das kann ein langwieriger Prozess sein, aber er ist organisch und hat ein Eigenleben – Bücher werden empfohlen oder verliehen, die Anerkennung wächst, fast ausschließlich über Mundpropaganda. Und jetzt werden von dem neuen Buch endlich zehn- oder zwanzigtausend Exemplare verkauft. Während der ganzen Zeit vorher hat der Autor von der Hand in den Mund gelebt, in irgendeinem Büro gearbeitet oder sich mit Rezensionen, einem Hörspiel oder hin und wieder einem Zeitungsartikel über Wasser gehalten.
    Im Zentrum dieses Prozesses stand die enge Beziehung des Autors zu seinem Verlag – da die Verlage klein waren, war es häufig eine zum Verleger selbst. Die Lektoren wechselten damals nicht ständig den Verlag, sie blieben, und der Autor konnte sich auf eine stetige, sich allmählich entwickelnde Freundschaft verlassen, deren Tiefe meiner Meinung nach noch nicht angemessen gewürdigt worden ist. Zugestanden, alle Schriftsteller sind wie Kinder, zumindest in diesem Bereich ihres Lebens. Auf den Verleger – oder den Lektor – wird ein wahrer Wirbelsturm an Emotionen losgelassen: Bedürfnisse, Abhängigkeit, Dankbarkeit, Erbitterung darüber, dass man bedürftig und abhängig ist, eine kämpferische, widersprüchliche Zuneigung, die der Arbeit zugute kommt. Die leidenschaftliche Liebe des Verlegers zur Literatur fließt in die Arbeit des Autors ein, und das Urteilsvermögen, das aus dem Lesen so vieler Bücher resultiert, hilft ihm, das Buch zu kritisieren und dafür zu sorgen, dass es besser wird. Ja, ich bin mir durchaus bewusst, dass ich hier ein ideales Verhältnis beschreibe. Die wohl berühmteste derartige Beziehung war vermutlich die zwischen Thomas Wolfe (nicht dem Journalisten, sondern dem Romancier der dreißiger Jahre) und Maxwell Perkins bei Scribners. Ein sowohl für den Autor als auch für den Verleger ebenso fruchtbares wie profitables Verhältnis. Heute gibt es nur noch sehr wenige derartige Verleger oder Lektoren.
    Mit Michael Joseph, der sich nicht auf diese leidenschaftliche Art für Literatur

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