Schritte im Schatten (German Edition)
kleine englische Jungen doch haben.« Peter sah mich verwirrt an: Er glaubte, er wäre kein Engländer, zumindest hatte er das in der Schule erfahren müssen.
»Ich nehme an, kleine japanische Jungen haben keine rosigen Wangen«, sagte Daisy zu ihrer Schwester, und Evelyn sagte: »Aber das bedeutet nicht, dass sie weniger gesund sind als englische Kinder.«
Es war halb zwölf, und im Wohnzimmer stand ein Teewagen, auf dem Scones und Marmelade und zwei Sorten Tee warteten. Die Schürzen wurden abgenommen, mit entschuldigenden Worten: »Leider können wir uns in diesen Zeiten kein richtiges Mädchen leisten. Wir haben eine Frau, die einmal die Woche kommt, deshalb ist alles etwas verwahrlost.«
Nichts sah verwahrlost aus. Das Zimmer stand voller viktorianischer Möbel. Von Tante Daisy in ihrer Jugend angeschafft, waren sie damals das Einzige, was in den Möbelgeschäften erhältlich war, jetzt waren es Antiquitäten, aber nichts wert, weil so unmodern. Peter zappelte herum, versuchte sich gut zu benehmen, und Tante Daisy sagte: »Vielleicht würde er gern in den Garten hinausgehen? Aber leider haben wir dort keine Stachelschweine oder Löwen oder Elefanten.« Peter ging hinaus, und wir konnten durch die Fenster hindurch beobachten, wie er zwischen den Sträuchern herumwanderte mit dem Ausdruck banger Langeweile, den Kinder zeigen, wenn sie wissen, dass sie stundenlanges Reden von Erwachsenen über ihre Köpfe hinweg ertragen müssen.
Da Tante Evelyn inzwischen ihre Schürze wieder angelegt hatte und in die Küche zurückgekehrt war, machte ich mit Tante Daisy Konversation und versuchte dabei, in dieser zerbrechlichen alten Dame die Daisy Lane zu sehen, von der ich so viel wusste. Sie war am alten Royal Free Lernschwester gewesen, während meine Mutter dort Stationsschwester war. Ein Drache mit einem Herzen aus Gold. Als Daisy dann selbst Stationsschwester geworden war und damit in dieser strengen Hierarchie auf derselben Stufe wie meine Mutter stand, wurden die beiden Frauen enge Freundinnen und blieben es, und es war Daisy, an die meine Mutter allwöchentlich ihre langen Briefe schrieb, viele Seiten auf blauem Coxley-Briefpapier, mit Nachschriften und Nach-Nachschriften und gelegentlich auf die viktorianische Art auch an den Rändern quer beschrieben, was man damals aus Sparsamkeitsgründen tat, aber auf der Farm deshalb, weil man, wenn einem das Briefpapier ausging, warten musste, bis man aus dem sieben Meilen entfernten Laden neues holen konnte. Daisy Lane war für meine Mutter das England, aus dem sie exiliert war, und die Briefe waren die Chronik ihres Exils, auf die Daisy, inzwischen die Schulschwester, regelmäßig, aber wesentlich kürzer antwortete: »Tut mir leid, dass meine Neuigkeiten nicht so aufregend sind wie Deine, meine Liebe. Ich kann nicht mit Geschichten über Schlangen und Buschfeuer aufwarten.« Sie schrieb an mich, äußerst gewissenhaft, wenn sie mir ihre guten Bücher schickte, und ihre Briefe enthielten nicht nur ihre Gedanken über Jesus, sondern auch Berichte über das Leben ihrer Schwester als Missionarin in Japan.
»Aber ich nehme an, Du weißt mehr über Missionare als ich«, pflegte sie zu schreiben. »Ich weiß, dass unsere Kirche eine Mission in Kampala unterhält.«
Auf alle Fälle wusste sie mehr über die Gedanken und Gefühle meiner Mutter, als ich je wissen sollte. Als meine Mutter nach all diesen Jahren und den Hunderten von Briefen nach England kam, wohnte sie eine Woche lang bei ihrer alten Freundin, in diesem Haus. Sie hatte von einem Haus in London geträumt, aber eindeutig nicht von einem allzu großen Haus, das allmählich herunterkam, weil kein Personal da war, in dem zwei alte Frauen, deren aktives Leben weit hinter ihnen lag, ihre Tage mit Kochen und Hausarbeit verbrachten. Wie war der Besuch verlaufen? Aber ich fragte nicht, denn er konnte nicht gut verlaufen sein. Vor allem deshalb, weil sie und Evelyn nicht miteinander auskamen. »Maude hat schon immer aus ihren Ansichten keinen Hehl gemacht«, sagte Daisy sanft, aber mit einem nervösen Blick auf ihre Schwester.
Und das war alles, was ich über diese Woche erfahren sollte, diese enttäuschende Woche, in der meine Mutter und ihre engste Freundin endlich zusammenkamen, in Richmond.
Eine Stunde nach unserer Ankunft kam Sherry auf einem silbernen Tablett, mit Bath-Oliver-Keksen. »Was meinst du, ob Peter gern ein Glas Milch hätte?«, fragte Daisy.
»Oder vielleicht ein bisschen Sherry?«, sagte Evelyn.
»Also,
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