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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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das ist doch wirklich absurd«, sagte Daisy. Peter lag auf dem ungepflegten Rasen auf dem Bauch, mit dem Kopf auf einem Arm, während er mit einem Zweig in etwas herumstocherte.
    »Nein«, sagte Evelyn entschlossen. »Schlafende Hunde und zufriedene Kinder soll man nicht stören.«
    Wir tranken süßen, dicken Sherry, und Tante Daisy erkundigte sich, ihre Pflicht erfüllend, nach Peters religiöser Gesundheit. »Dann werde ich gehen und mich um den Lunch kümmern«, sagte Evelyn, »und es euch beiden überlassen, Peters spirituelles Leben zu arrangieren.«
    »Evelyn hat aus Japan einige überaus unorthodoxe Ideen mitgebracht«, sagte Daisy. »Ich weiß wahrhaftig nicht, was unser Vikar sagen würde, wenn er ein paar davon hören würde. Aber lass uns über den kleinen Jungen reden. Maude sagte mir, du hast ihn nicht taufen lassen?«
    »Sie hat ihn taufen lassen.«
    Sie seufzte. Sie war bestürzt. Sie zwang sich, mich anzusehen, diese radikale Person, und dann, ermutigt von den vielen Jahren ihres Dienstes an mir als meine Patin – für die ich heute dankbar bin –, sagte sie: »Aber das bedeutet, dass er keine Paten hat.«
    Ich sagte: »Aber, Tante Daisy, du weißt doch, dass Leute Kinder annehmen und für sie verantwortlich sein können – genau wie ein Pate oder eine Patin, dazu braucht man nicht religiös zu sein.«
    »Aber, meine Liebe, was ist mit seiner Pflicht gegenüber Gott, wer wird ihn darüber informieren?«
    Das Gespräch quälte sich dahin, immer um dieses Thema kreisend, und dann kam der Lunch.
    Roastbeef auf einer riesigen Porzellanplatte mit einer Vertiefung für die Bratensoße, die ausgiebig über Peters Gemüse gelöffelt wurden, damit er ein Mann werden konnte. Bratkartoffeln, Möhren in weißer Soße. Blumenkohl in weißer Soße. Das Fleisch war wirklich wunderbar. Und der Nachtisch ebenfalls, Fruchtpudding mit goldgelbem Sirup und Marmeladentörtchen. Käse, Gebäck. Die alten Damen aßen wie die Spatzen, und der größte Teil dieser Mahlzeit wurde wieder abgetragen, wahrscheinlich, um im Lauf der Woche verzehrt zu werden. Uns alle verlangte nach Schlaf nach dem Sherry und dem schweren Essen, aber jetzt musste es Kaffee geben, einen schwachen, grauen Kaffee, und wir saßen im Wohnzimmer und litten alle unter dieser speziellen Pein, dem Bedürfnis zu schlafen, wenn es völlig unmöglich ist. Tante Evelyn redete über das japanische Jesus-Verständnis, ganz anders als unseres, sagte sie, und sang uns
Rock of Ages
auf Japanisch vor, wobei sie mit dem Kaffeelöffel den Takt schlug. Genau wie meine missionarische Tante Betty vor so langer Zeit in Teheran, aber die in Mandarin-Chinesisch.
    Tante Daisy sagte, Krankenschwestern seien heute nicht mehr so, wie sie einmal gewesen seien, das hätten ihr jüngere, noch nicht pensionierte Kolleginnen erzählt. »Heutzutage will niemand mehr eine Arbeit um ihrer selbst willen tun«, sagte sie. »Und sieh dir diese modernen jungen Frauen an – sie wollen keine Hausarbeit mehr machen.«
    »Nein«, sagte Evelyn, »sie ziehen Fabriken vor. Wie kann eine Frau, die nicht völlig verrückt ist, eine scheußliche Fabrik der Arbeit in einem hübschen Haus wie diesem vorziehen?«
    Für ein paar Sekunden lag ein Hauch Patrick Hamilton in der Luft.
    Um vier Uhr kam der Teewagen wieder herein, die Tanten legten ihre Schürzen an, um den Nachmittagstee vorzubereiten, dann nahmen sie sie wieder ab, um sich seinem Verzehr hinzugeben. Auf der oberen Etage des Wagens befanden sich Scones, Butter, Marmelade, Sauerteigfladen, Honig in einer Wabe, kleine Kuchen und verschiedene Sorten von Keksen, auf der unteren standen zwei große Kuchen, eine Biskuittorte mit Obst und Schlagsahne und eine Obsttorte. Nun sollte es endlich ernsthaft ans Essen gehen. Lunch, ja, den hatten sie gegessen, und ein Lunch musste, vor allem sonntags, etwas Anständiges sein, aber das hier war es, was sie wirklich genossen. Ich konnte sehen, dass dies die Hauptmahlzeit des Tages war, und sie aßen und aßen und drängten mich und Peter, immer mehr zu nehmen, und sie tranken viele Tassen Tee, Earl Grey für Daisy und Ceylon für Evelyn, oh, nimm dir doch noch ein kleines Stück, und dann erschienen wieder die Schürzen für den Abwasch, und dann war es fünf Uhr, und wir konnten gehen. Und als Peter und ich zur Bushaltestelle gingen und ihnen zum Abschied zuwinkten, hörte ich von Evelyn: »So, Daisy, und jetzt setzt du dich hin und ruhst deine Beine aus; ich kümmere mich um das

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