Schritte im Schatten (German Edition)
Dinge, die sie sahen, wenn sie die Welt der Erwachsenen unter die Lupe nahmen.
Von den Leuten, mit denen ich in die Sowjetunion gereist war, war Naomi diejenige, die ich am häufigsten sah und am längsten – über Jahre hinweg. Ein paarmal habe ich A. E. Coppard und seine Frau getroffen. Er fühlte sich immer weniger zu Hause in einer Welt, die ständig stärker kommerzialisiert und immer hektischer wurde. Er war ein Mann des Landes, der Dörfer, Felder, Wälder, langer Spaziergänge. Einer verschwundenen Welt … Douglas Young habe ich nicht wiedergesehen, aber durch Naomi von ihm gehört. Gelegentlich traf ich mich zum Lunch mit Arnold Kettle, aber er hat es nie geschafft, sich von der Partei zu lösen. Richard Mason sah ich öfter. Er lebte mit seiner Frau Felicity in Chelsea, nur ein Stück die Straße hinunter. Felicity war eine wirklich schöne Frau, wie es sich für eine Muse gehörte, denn sie sah es als ihre Rolle an, das Genie zu inspirieren. Vor Richard hatte es einen oder zwei andere gegeben, aber sobald sie ihn gesehen hatte, wusste sie, was ihr und ihm bestimmt war, und zögerte nicht, es ihm mitzuteilen. Sie entschied, dass ein kleines Haus in Chelsea und ein ruhiges Leben das waren, was er brauchte, um schöpferisch arbeiten zu können. Jeden Morgen schickte sie ihn nach oben, während sie ihn vor dem Telefon bewahrte, den Folgen eines Läutens an der Tür, Besuchen oder sonstigen Manifestationen des gewöhnlichen Lebens. Das ist natürlich genau das, wovon viele Schriftsteller träumen, wenn sie viel um die Ohren haben, nicht zuletzt ich selbst, aber für Richard war es eindeutig nicht das Richtige. Ich war bei ihnen an einem schmerzlichen und sehr komischen Abend zugegen, zusammen mit einer Reihe von Gästen, die alle dies Drama mit mitfühlender Neugierde bis zu seinem unvermeidlichen Ende verfolgt hatten, als nämlich Richard Felicity erklärte, was er brauchte, und sie ihm sagte, was er ihrer Ansicht nach haben müsste. »Was ich will, ist, in irgendein exotisches Land reisen, und dort werde ich mich in ein farbiges Mädchen verlieben. Sie muss arm oder krank oder etwas dergleichen sein. Dann werde ich mein nächstes Buch schreiben.«
»Unsinn, Darling, was du brauchst, ist Ruhe und Frieden«, sagte diese blonde Göttin, tatkräftig das Zimmer aufräumend.
»Ruhe und Frieden machen mich verrückt«, sagte er. »Felicity, ich kann so nicht weitermachen.«
»Du hast nur eine Schreibhemmung, Darling.«
»Ja, ich weiß, dass ich eine Schreibhemmung habe. Und zwar deshalb, weil ich dieses Leben nicht ertrage.«
Er hatte die Angewohnheit, sich oben aus dem Fenster zu lehnen und sehnsüchtig das lebhafte Treiben auf der Straße zu beobachten oder sich sogar, wenn sie nicht aufpasste, aus dem Haus zu schleichen und ein oder zwei Stunden schuldbewusst in einem Pub zu verbringen. Es konnte nicht von Dauer sein. Und war es auch nicht. Er flüchtete nach Hongkong, wo er
Suzie Wong
schrieb, das sofort ein Bestseller wurde, ein Buch über ein Mädchen, das auf tragische Weise vom Schicksal geschlagen war, nicht nur in einer Hinsicht, sondern in mehrfacher, unter anderem mit Tuberkulose wie die romantischen Heldinnen der Vergangenheit. Felicity war vernünftig und machte sich auf die Suche nach einem anderen Schriftsteller, der eine Muse brauchte. Richard versackte zumindest zeitweise in der Welt des Films. Eine Geschichte, die er erzählte, war, wie er und sein Regisseur loszogen, um die perfekte Suzie Wong zu finden, auf Honolulu oder einer anderen dieser romantischen Inseln, und dort feststellen mussten, dass die gesamte Bevölkerung angetreten war, um das Schiff willkommen zu heißen, wobei die Einheimischen
Onward Christian Soldiers
sangen und Turnhosen trugen.
Ein paar Jahre lang traf ich mich sehr oft mit einer jungen Frau, die ein Kind in Peters Alter hatte; wir holten die Jungen jeden Tag um die gleiche Zeit von der Schule ab, und um deren Stunden bis zum Schlafengehen auszufüllen, gingen wir in die Kensington Gardens und ließen kleine Holzboote schwimmen oder schlenderten herum, während die Jungen spielten. Wir lebten beide in Wohnungen, die für die unbändige Energie von Sechs-, Sieben- oder Achtjährigen viel zu klein waren. Damals gab es Schafe im Hyde Park: Land in der Stadt.
Sie war eine stille, nachdenkliche Frau, und ihr Sohn war ein zäher kleiner Rotschopf, kämpferisch, aufbrausend – die beiden Temperamente passten nicht zusammen. Sie hatte einen Job, der es ihr
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