Schritte im Schatten (German Edition)
Federhalter, einer Schreibmaschine? Schreiben Sie jeden Tag, wie sieht Ihre Routine aus? Diese Fragen erwachsen aus einer instinktiven Suche nach dem entscheidenden Punkt: Wie verwenden Sie Ihre Energie? Wie gehen Sie mit ihr um? Alle Menschen verfügen über beschränkte Mengen von Energie, und ich bin sicher, die Leute, die erfolgreich sind, haben – entweder instinktiv oder ganz bewusst – gelernt, mit ihrer Energie hauszuhalten, anstatt sie zu vergeuden. Und das tut jeder Mensch auf eine andere Art, ob er nun Schriftsteller ist oder nicht. Ich kenne Kollegen, die jeden Abend zu einer Party gehen und dann, mit aufgeladener anstatt leerer Batterie, den ganzen Tag schreiben. Aber wenn ich die halbe Nacht aufbleibe und rede, dann bin ich am nächsten Tag nicht gut in Form. Manche Schriftsteller ziehen es vor, morgens so früh wie möglich mit der Arbeit zu beginnen, während andere die Nacht oder – für mich fast unmöglich – die Nachmittage vorziehen. Man muss es einfach ausprobieren, und wenn man dann herausgefunden hat, was man braucht, was einen vorantreibt, wie der instinktive Rhythmus und die tägliche Routine aussehen müssen, dann soll man sich daran halten.
Jetzt, in der Rückschau, bin ich verblüfft und beeindruckt, wie ich mich zwischen den an mich gestellten Ansprüchen hindurchlavierte, bei denen das Kind natürlich an oberster Stelle stand. Also: Intensives, konzentriertes Arbeiten, wann immer ich konnte, mit einem ständig wachsamen Auge auf die Energiefresser.
Mein Erstling,
Afrikanische Tragödie
, war für ein Debüt in Großbritannien, auf dem Kontinent und in Amerika recht erfolgreich gewesen, hatte zahlreiche Kritiken bekommen und war nachgedruckt worden. Aber nur wenige ernsthafte Romane machen ihre Autoren reich. Mein zweites Buch,
This Was The Old Chief’s Country
, bekam gute Kritiken und hatte sich für einen Band mit Kurzgeschichten recht gut verkauft, und einzelne Kurzgeschichten aus dem Band wurden in Anthologien und im Ausland nachgedruckt. Auch
Martha Quest
und
Eine richtige Ehe
verkauften sich recht gut und kamen in europäischen Ländern und in Amerika heraus, aber nichts von alledem war aus dem Stoff, aus dem Bestseller gemacht werden. All meine Bücher sind noch im Handel und verkaufen sich stetig, aber erst in den Siebzigern bekam ich große Vorschüsse. 1958 , so habe ich ausgerechnet, verdiente ich im Durchschnitt 20 Pfund pro Woche, was damals dem Lohn eines Arbeiters entsprach.
Wie alle Schriftsteller überlebte ich von Scheck zu Scheck. Joan störte es nicht, wenn ich meine Miete mit zwei oder drei Wochen Verspätung zahlte. Einmal war ich mit fünf Wochen im Rückstand, und mir war regelrecht schlecht vor Sorgen, weil Joan gleichfalls nicht viel Geld hatte. Scharfe kleine Erinnerungen wie diese korrigieren Verallgemeinerungen wie: »Es machte mir nichts aus, dass ich kein Geld hatte.« Eine Zeit lang habe ich das tatsächlich gesagt, aber es gab Zeiten, in denen ich nicht mehr ein noch aus wusste. Ich hatte das Kind zur Schule gebracht, ging die Church Street hinunter und weinte, weil ich kein Essen kaufen konnte. Ein Mann kam schnellen Schrittes auf mich zu, blieb stehen und fragte: »Weshalb weinen Sie?« Ich sagte: »Ich habe kein Geld.« Er sagte: »Nur Mut, nächste Woche um diese Zeit werden Sie bestimmt welches haben.« Das stimmte, denn immer tauchte von irgendwoher Geld auf, und ich fasste wieder Mut. Ich verkaufte den Schmuck meiner Mutter. Dass sie mir ihre schwere Goldkette schenkte, ihre goldene Brosche, ein paar Stücke aus Viktorianischer Zeit, war ein Ritual: Mütter verschenken ihren guten Schmuck immer an ihre Töchter. Ich wollte ihn nicht, sagte, sie solle ihn behalten, aber sie bestand darauf. Als ich ihn zu einem Juwelier brachte, war ich in einer derart jämmerlichen Verfassung, dass ich ihn geradezu dazu aufforderte, mich zu betrügen. Der Schmuck war unmodern. Ich erinnere mich, dass ich ihn sogar darauf hingewiesen und mich dafür entschuldigt habe. Ich erhielt weniger als dreißig Shilling für etwas, das zehn Jahre später, als Viktorianisches wieder in Mode kam, Hunderte von Pfund wert gewesen wäre. Ähnliches passierte mit einem viktorianischen Nähtisch von meiner Tante Daisy. Er war sehr hübsch, mit zahlreichen kleinen Schubladen, durchbrochenen Fächern und Nadelkissen, ein wahres Schmuckstück. Im Erdgeschoss unseres Hauses war ein Antiquitätengeschäft. Ich flehte die Besitzer an, ihn zu kaufen. Sie weigerten sich,
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