Schritte im Schatten (German Edition)
eine Schickse, bessere jüdische Mahlzeiten zubereitete als jede jüdische Frau. Eine Menge Witze, eine Menge Drinks, eine Menge gutes Essen. Später war es Reuben, mit dem ich am häufigsten zusammentraf; wir waren jahrelang Freunde.
Unsere »Gruppe« war in schnellem Wandel begriffen. Zum einen brachen Ehen und Beziehungen auseinander – die von Ted Allan, die von Reuben, wenig später die von Mordecai. Die Frauen oder Freundinnen, die die schweren Anfänge mit durchgestanden und als Agenten und Berater, sogar als Geldverdiener fungiert hatten – fort mit ihnen. Wenn dies so oft passiert, so alltäglich ist – welchen Sinn hat dann moralische Entrüstung? Meine Ansicht ist, dass Männer sehr schwer kämpfen müssen, um sich von ihren Müttern zu befreien, aber dann machen die Umstände und ihre Natur ihre Frauen zu Müttern – und sie befreien sich abermals. Dabei handelt es sich keineswegs immer um das Austauschen eines alten Modells gegen ein jüngeres. Junge Frauen, die sich an einen jungen Künstler oder einen Mann mit Zukunft binden, sollten von Anfang an wissen, dass dies ein schweres Stück Liebesarbeit sein kann. Alle in der Gruppe waren starke Trinker. Ich selbst hatte seit meiner Abreise aus Rhodesien kaum etwas getrunken. In der Denbigh Road hatte ich kein Geld, und niemand dort trank. In Joans Haus gab es Wein, aber nicht regelmäßig. Was diese Amerikaner tranken, war keineswegs Wein, und es wurde viel über die richtige Art diskutiert, diesen oder jenen Cocktail zuzubereiten. »Nur ein Tropfen Wermut in den Gin oder, noch besser, nur mit dem Korken drüberfahren.« Diese Art Sprüche. Und Diskussionen über Tabletten, denn einige von ihnen schluckten erstaunliche Mengen. Später hielten Clancy Sigal und Reuben einander oft die offenen Handflächen hin, auf denen ihre tägliche Dosis lag, wobei der eine dem anderen vorhielt, dass dessen Tabletten stärker, schwächer, verlässlich, gefährlich oder gerade erst erfunden worden waren. Das war der harte, aggressive nordamerikanische Humor, der oft grausam war. Später schrieb Donald Ogden Stewart ein Theaterstück,
The Kidders
, das im Unity Theatre aufgeführt wurde, dessen Charaktere sich selbst und die anderen mit Späßen in Gewalttätigkeit und den Tod trieben. Es war ein gutes Stück, aber das Unity Theatre war damals nicht in Mode.
Die Witze, die in der Gruppe gemacht wurden, handelten meistens davon, wer ein CIA -Agent war. Ich glaube nicht, dass sich unter diesen McCarthy-Flüchtlingen auch nur ein Agent befand, aber spielte das eine Rolle? Damit Gruppen von Exilanten sich mit gegenseitiger Beargwöhnung kaputt machen können, bedarf es keines Agenten, nicht einmal zeitweise. Dies war meine erste Gruppe von Exilanten, und deshalb wusste ich noch nicht, dass Paranoia dort die Regel ist. Wenig später kamen die südafrikanischen Exilanten. Dieser Gruppe habe ich nie angehört, denn ich wollte nicht der südafrikanischen Schwäche erliegen, die darin besteht, dass man fern der Heimat nur unter sich bleibt. Ich bin ziemlich sicher, dass die in Sachen Spionage sehr tüchtige südafrikanische Regierung dafür gesorgt hat, dass sich ein oder zwei Agenten unter die Gruppe mischten, aber angenommen, sie hätte es nicht getan? Unter dem Gesichtspunkt des Ausmaßes der Paranoia und der grausamen Verdächtigungen und Quälereien unter ihnen selbst hätte es keinen Unterschied gemacht.
Wieder einige Zeit später war ich in Paris und hatte eine kurze Begegnung mit Exilanten aus der Sowjetunion. Das war eine wahrhaft vergiftete Atmosphäre. Sie misstrauten einander, bildeten sich ein, jeder Franzose, dem sie begegneten, wäre ein Agent des KGB , waren regelrecht besessen davon. Ich kann mir kein schlimmeres Schicksal vorstellen, als zu einer Gruppe von politischen Exilanten zu gehören.
Was mich heute, in der Rückschau, an den McCarthy-Flüchtlingen am meisten interessiert, sind ihre »Widersprüche« – dieselben, wie damals bei Kommunisten überall auf der Welt, aber durch ihre Unsicherheit besonders konzentriert. Sie waren Kommunisten oder Sympathisanten gewesen (nicht Mordecai Richler, der war die große Ausnahme) und glaubten dementsprechend – wirklich? – an den gewaltsamen Sturz des kapitalistischen Staates. Dennoch können sie sich diesen Glaubensartikel nicht tatsächlich zu eigen gemacht haben, denn sie wiesen den Gedanken, dass sie für die Vereinigten Staaten irgendeine Gefahr dargestellt hatten oder hätten darstellen können,
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