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Schroders Schweigen

Schroders Schweigen

Titel: Schroders Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amity Gaige
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Himmel hervor und tauchte den See in ein phantastisches Lichtgefunkel, sodass er aussah wie aus kochendem Gold. Schützend hielt ich mir die Hand vor die Augen und sah Meadow beim Schwimmen zu.
    »Guck dir das an«, sagte ich. »Ich wusste nicht mal, dass sie schwimmen kann.«
    »Sie wussten nicht –« Die Frau machte einen Schritt nach vorn. »Ist alles in Ordnung mit ihr?«
    »Aber ja«, sagte ich. »Sehen Sie nur. Solide. Muss sie letztes Jahr gelernt haben.«
    »Ist das denn nicht gefährlich? Sie ist die Einzige im Wasser, und bei der Kälte.«
    »Sie haben recht, ich sollte mit reingehen. Entschuldigen Sie mich.«
    Ich trug eine sandfarbene Khakihose, aufgekrempelt bis unters Knie, und ein kurzärmliges blaukariertes Hemd von Eddie Bauer. Ich warf Brieftasche und Autoschlüssel in den Sand und watete hinaus ins eiskalte Wasser, bis sich mein Hemd blähte. Als mir das Wasser bis zum Brustkorb ging, stieß ich mich ab. Ich tauchte meinen Kopf seitlich ins Wasser und kraulte mit lässigen Bewegungen an meiner Tochter vorbei. »Guten Tag«, sagte ich. »So ein Zufall aber auch.« Sie paddelte vor mir auf der Stelle, die Brille mit Tröpfchen benetzt. »Bei den Temperaturen bleibt einem ja das Herz stehen«, sagte ich. »Ich glaube, mir ist gerade das Herz stehengeblieben.« Unser Lachen schallte übers Wasser. Vom Strand aus starrten uns die Leute an. Meine Rotblonde war bildhübsch und baff, so viel konnte ich erkennen. Manche Dinge kann man nicht erklären, es geht einfach nicht, egal wie mitfühlend oder anrührend der Zuhörer selbst sein mag.

DAMPFSCHIFFE
    Sie wollte Dampfschiff fahren. Unsere Wahl fiel auf die Minne-Ha-Ha .
    »Ha-ha-ha«, sagten wir. »Ha! Ha! Ha!«
    Wir tauchten zwischen den Leuten durch und rannten die Gangway hoch, denn wir wollten den besten Blick auf die Schaufelräder haben. Auf dem Oberdeck hängten wir uns so weit wie gefahrlos möglich über die Reling, mit einem Tuten der Dampforgel verließ das Schiff den Kai, und der frostige Sprühnebel der Schaufelräder regnete auf uns herab. Meadow kreischte, andere Kinder kamen hinzu, von denen einige ihre Köpfe durch das Gestänge der Reling schoben, bis sie von ihren Eltern zurückgepfiffen wurden. Uns war es egal. Schließlich waren wir ja schon nass. Hinter uns verlor sich die Küste, und Möwen flogen kreuz und quer über unserem Kielwasser wie Brautjungfern mit einem Schleier. Der Wind frischte auf, weich und sauber.
    Sie sagte: »Pass auf, ein Witz. Wo geht ein Hund einkaufen?«
    »Weiß ich nicht. Wo denn?«
    »Wo’s Schnupperpreise gibt.«
    »Der ist genial.«
    »Hab ich mir selber ausgedacht. Weißt du was, ich kann schon Rollschuh laufen.«
    »Du kannst schwimmen, du kannst Rollschuh laufen. Was kannst du noch?«
    »Ich kann fliegen.«
    »Na, da bin ich skeptisch.«
    »Sonne«, sagte sie.
    »Warte. Ich muss doch erst mal sagen ›Ich sehe was, was du nicht siehst‹.«
    »Orange.«
    »Nein, ich muss die Farbe sagen .«
    Das Dampfschiff tuckerte am Ostufer des Lake George entlang. Als das Schiff wendete, sahen wir im Abendlicht die Sonnenkugel gelb glitzernd durch das Schlüsselloch der nördlichsten Berge verschwinden.
    »Schwups«, sagte sie. »Gute Nacht!«
    »Das war’s für heute, Sonne«, sagte ich.
    »Das war’s, Sonne!«
    »Du sinkst jetzt, Sonne.«
    »Ganz tief«, sagte sie. »Bis ins Tiefkühlfach.«
    »Bis in die Tiefgarage.«
    Grinsend kletterte sie auf eine der Metallbänke an Deck. »Aber ich kann fliegen«, sagte sie. »Guck.« Sie streckte die Arme aus, um das Gleichgewicht zu halten, setzte ihre Turnschuhe auf die Lehne und begann unbeholfen mit den Armen zu rudern.
    »Vorsicht«, sagte ich, obwohl sie weit genug weg war von der Reling. Ihre Shorts falteten sich wie ein Akkordeon über den Oberschenkeln, und beim Balancieren über die Bank war ihr T-Shirt hochgerutscht. Als sie sprang, flatterte ihr windverknäultes Haar wie Luftschlangen hinter ihr her.
    »Ich fress ’nen Besen«, sagte ich. »Du kannst ja wirklich fliegen.«
    »Sag ich doch.«
    »Komm jetzt, du verrücktes Kind. Du hast ja schon blaue Lippen.«
    Wir betraten die warme Innenkabine, in die sich die meisten Familien vor dem nachmittäglichen Wind geflüchtet hatten. Ein losgelassenes Kleinkind krabbelte über das kitschige Linoleum und stieß eine leere Getränkedose vor sich her.
    »Papa, ich hab Hunger.«
    Ich sah mich in der Kabine um. »Wir sollten dir was zu essen besorgen.«
    Sie deutete mit dem Finger. »Wie wär’s mit dem Automaten

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