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Schroders Schweigen

Schroders Schweigen

Titel: Schroders Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amity Gaige
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nicht stimmt.«
    »Ich wollte doch nur ein bisschen Zeit mit meiner Tochter verbringen. Ich wollte nur mit meiner Tochter Ferien machen. Ich wollte das entscheiden. Ich bin ihr Vater . Ich habe ihr Lesen beigebracht. Ich bin mit ihr aufgeblieben, wenn sie krank war. Hier liegt ein Fehler vor, weißt du – ein gravierender Fehler – eine Fehlgeburt –«
    »Du hättest klagen müssen oder so was. Du hättest dir vielleicht mal einen besseren Anwalt nehmen sollen. Jedenfalls hättest du mit deiner Tochter nicht einfach abhauen dürfen.«
    »Bitte.« Sanft schob ich sie von mir. »Bitte schlag dich nicht auf deren Seite. Die ganze Welt wird sich auf deren Seite schlagen.«
    »Bild dir bloß nichts ein. Als würde sich alles nur um dich drehen. Fräulein Schmetterling?«
    Aus dem Nebenzimmer klang Meadows Stimme klein. »Ja?«
    »Es gibt Abendessen.«
    »Nein danke.«
    »Du solltest aber was essen.«
    »Ich hab keinen Hunger, danke.«
    April verdrehte die Augen. »Ich sag mal gar nichts. Sie isst nichts als Donuts. Wann hat sie das letzte Mal Gemüse bekommen?«
    Grinsend nahm ich meinen Löffel. »Weißt du was? Meine Frau würde dich mögen. Zumindest wäre sie dir dafür dankbar, dass du dich so gut um Meadow kümmerst.«
    April nahm einen Löffel voll Bohnen und pustete. »Hör auf mit dieser Dankbarkeitsnummer. Als wäre ich in dich verliebt.«
    Ich grinste. »Ich hätte dich heiraten sollen. Ich hätte jemanden wie dich heiraten sollen. Ich hätte eine Frau mit Humor heiraten sollen.«
    »Ich muss nicht heiraten. Nach mir wurde schon ein Rocksong benannt.«
    Ich betrachtete sie, wie sie mir gegenübersaß, wie sie mit der Hand ihre Haare zusammenhielt, und ich sah ihre Lippen und wie sie immer wieder kurz auf ihren Löffel pustete.
    »Hey. Hast du Lust –« Ich deutete auf das Kanu. »Wenn –«
    Jetzt musste April lachen. »Du machst mir Spaß. Ich geh nicht mehr mit dir ins Bett, John Toronto. Und schon gar nicht in ein Kanu. Das Einzige, was ich heute Abend noch mit meinem Arsch machen werde, ist ihn retten.«
    »Ach so. Okay. Schade.«
    »Ja, wirklich sehr schade.«
    »Ich mag dich sehr.«
    Der Satz schien April ein wenig zu betrüben. »Hey. Wie wär’s, wenn du deine Kleine ins Bett bringst? Dann reden wir noch mal. Hier. Nimm ihr das mit.« Sie schob eine Schüssel Bohnen über den Tisch. »Sie ist bestimmt am Verhungern, aber sie will’s nicht zugeben, weil sie zu wütend ist. An deiner Stelle würde ich versuchen, die Sache wieder zurechtzubiegen, solange es noch geht. Sprich’s einfach mal aus. Nach sehr viel Rumprobieren hab ich festgestellt, dass ohnehin irgendwann die Wahrheit ans Licht kommt, wie es so schön heißt.«
    Ich saß einfach nur da.
    »Sorry«, sagte sie. »Bin ich dir zu nahe getreten?«
    »Nein. Nein, bist du nicht. Eigentlich habe ich – habe ich sogar gerade genau dasselbe gedacht.«
    Ich stand auf und ging auf Meadows Tür zu. Dann blieb ich stehen, drehte mich um und legte April die Hand in den Nacken. Ich sah hinunter in ihr großes Gesicht, und ich lächelte. Es entstand eine Pause – und ich erwähne sie hier, weil sie, nun ja, eindeutig nicht wie bei Pinter war, sondern leicht und voller Gnade.
    »Alles an dir ist groß«, sagte ich zu ihr.
    »Na, wenn du meinst – danke.«
    »Ja, das ist ein Kompliment. Du bist einfach ein bisschen mehr als die meisten Menschen.«
    Ich habe April A. nie wiedergesehen.
    Whose gonna wanna be your lover next time?
    Was die White Mountains anging, hatte April recht. Sie hatten was – etwas Mysteriöses, der Stoff, aus dem Legenden sind. Wir waren den ganzen Nachmittag durch ihre südlichen Ausläufer gefahren, bis in den Abend hinein, immer entlang des Kancamagus. Zu unserer Linken erhob sich das Vorgebirge der Franconia Range. Der Wind stand hoch, die Böen waren noch im Auto zu spüren. Wir schwiegen alle drei vor uns hin, bis April mit dem Kinn auf etwas deutete und sagte: »Da ist der Moosilauke. Und der da heißt Osceola.« Moosilauke. Osceola . Wörter, über die Meadow und ich uns amüsiert hätten, hätte bei uns nicht gerade Funkstille geherrscht. Ich wusste, dass sich im Norden der Mount Washington gen Himmel erhob. Aber dort konnten wir nicht hin, jetzt nicht mehr. Nicht so jedenfalls, wie wir es vorgehabt hatten.
    Jetzt trat ich an die Tür von Meadows Interimskinderzimmer. Sie hatte eine eindrucksvolle Metropole aus Lincoln Logs auf dem Fußboden zurückgelassen und lag auf dem unteren Bett, einen Arm über dem

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