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Schroedingers Schlafzimmer

Titel: Schroedingers Schlafzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Woelk
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Scharmützeln zu stählen. (»Gerade im Sommer ist die Schadstoffgefahr besonders groß. Du wirst im Moment ja kaum Zeit dafür finden, aber
ich
verfolge die aktuelle Feinstaubdiskussion mit allergrößter Aufmerksamkeit. Laß dir durchaus auch einmal von
mir
etwas gesagt sein.«) Und machte man sie – |190| als letzte und psychologisch präziseste Variante aus dem Fundus denkbarer Reaktionen – auf die ihrer Äußerung zugrundeliegende Struktur aufmerksam (»Mama, mußt du eigentlich immer an Berlin herummäkeln? Ich weiß, daß es dir in der Eifel besser gefällt, und ich akzeptiere dein Leben voll und ganz. Warum fällt es dir im Gegenzug so schwer,
meines
zu akzeptieren?«), dann riskierte man eine jener unschönen, qualvollen und verletzenden Mutter-Tochter-Auseinandersetzungen, die Do jedes Mal mit dem erniedrigenden Gefühl zurückließen, sie sei immer noch sechzehn. Der einzige Weg, dieser unwürdigen und aussichtslosen Situation, die einem nur die Wahl zwischen drei falschen Alternativen ließ, zu entkommen, das wurde Do schließlich klar, war es, Ursels egozentrische Unterstellungen ganz einfach zu ignorieren, ihre mütterlichen Kränkungen langmütig hinzunehmen und unauffällig das Thema zu wechseln.
    »Ach, Kind«, seufzte Ursel, als sie den Wagen erreichten und Do ihr die Beifahrertür öffnete, »du kannst dir gar nicht vorstellen, wie froh ich bin, hier zu sein. Ich freue mich schon so sehr auf deine Geburtstagsparty. Glaube mir, dein Geburtstag ist einer der wenigen Lichtblicke, die es in meinem Leben zur Zeit gibt.« Stöhnend griff sie über die rechte Schulter nach hinten, um den Gurt zu fassen zu bekommen. »Was ist das für ein riesenhaftes Auto? Ich wußte gar nicht, daß ihr einen neuen Wagen habt.«
    »Ein Hyundai.«
    »Ah, ein Japaner.«
    »Ich glaube, es ist ein koreanisches Fabrikat.«
    |191| »Man sitzt so enorm hoch. Koreaner sind doch eher kleinwüchsig. Ist das nicht lästig beim Einsteigen?«
    »Aber nein«, erklärte Do und zwang sich innerlich zu gottergebenster Ruhe. »Mit der Ladefläche, den umklappbaren Sitzen und der großen Hecköffnung ist der Wagen ausgesprochen praktisch. Gerade mit zwei Kindern.«
    Ihre Mutter nickte: »Ich verstehe. Man muß Kompromisse machen.«
    »Mama, es ist
genau der Wagen
, den ich haben wollte.«
    »Das ist doch in Ordnung, Kleines. Papa und ich, wir gehören einfach einer anderen Generation an. Wir hätten es nicht fertig gebracht, etwas von den Kommunisten zu kaufen.«
    »Aber
Süd
korea ist doch nicht kommunistisch, Mama.« Ursel dachte einen Moment nach. »Nach außen hin vielleicht. Zuinnerst ist den Asiaten unser individueller Lebensstil und unsere Freiheitsliebe aber fremd. Doch laß uns nicht über Politik reden, das ist heutzutage wirklich zu unerfreulich. Sag mir, wie es dir geht.«
    Do steuerte den Wagen langsam an die Schranke des Parkdecks heran und öffnete das Seitenfenster, um die Magnetkarte einzustecken. Sie war froh, daß die kurzzeitige Konzentration, die der Handgriff ihr abverlangte, sie von dem Druck befreite, sofort antworten zu müssen. Sie befürchtete, durch eine zu verhaltene Reaktion argwöhnische Neugier bei ihrer Mutter zu wecken. Ursel verfügte über einen hervorragenden Instinkt, wenn nicht gar hellseherische Fähigkeiten in Bezug auf den Zustand von Ehen. Gleichzeitig drängte es Do, sich ihr anzuvertrauen. Das uralte Bedürfnis, als Kind bei der Mutter Trost zu suchen, |192| erfüllte sie und suggerierte ihr mit enormer Intensität, ihr Kummer ließe sich leichter ertragen, wenn sie ihn aussprechen würde. Hin- und hergerissen zwischen den beiden einander widersprechenden Impulsen, ihrer Mutter etwas vorzumachen und sich ihr anzuvertrauen, verstieß Do gegen die von ihr selbst aufgestellte Regel des schweigsamen Erduldens aller mütterlichen Nadelstiche und nahm die vorangegangene Diskussion wieder auf.
    »Unsere deutschen Autos sind teuer und einfallslos, Mama, das kannst du überall nachlesen. Wenn es irgendwo auf der Welt kommunistisch zugeht, dann bei VW.«
    Ursel fixierte ihre Tochter einen Moment lang von der Seite, so daß die frontal in den Wagen scheinende Sonne einen Anteil flammendroter Farbpigmente in ihrer kastanienbraunen Haartönung zum Leuchten brachte.
    Schließlich sagte sie: »Entschuldige, Dori, aber ich finde, ihr jungen Leute redet zu schlecht über unser Land. Ich bin jedenfalls froh, daß wir immer genug Geld hatten, uns einen Mercedes zu leisten. Dein Vater hat damals, Gott sei Dank,

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