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Schroedingers Schlafzimmer

Titel: Schroedingers Schlafzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Woelk
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befehle, werde er ausführen! Dann gab er ihr den Stab in die Hand. Do war in ihrem Traum sehr aufgeregt. Sie hatte schon viele stabartige Dinge in Händen gehalten – Trinkhalme, Kochlöffel, Minigolfschläger, einmal auch eine Angel   –, aber einen Zauberstab, das war neu. Und das unerwartete Problem bei der Sache war, daß sie nicht wußte, was sie sich wünschen sollte.
    Schrödinger flüsterte ihr ins Ohr, alles, was sie zu tun habe, sei, den Stab ein wenig hin- und herzuschwingen und fest an etwas zu denken, dann werde es auch geschehen! Sie standen auf einmal in seinem Garten, und er traf Vorbereitungen, die Rosen zu wässern. Do fühlte die Wunschaufforderung als großen seelischen Druck auf sich lasten. In wenigen Sekunden – so schnell, wie es nur im Traum möglich ist – gingen ihr die vielen Märchen durch den Kopf, in denen die Erfüllung eines Wunsches katastrophale Folgen hatte. Sie meinte zu begreifen, daß eine tiefe Wahrheit dahinter steckte, die lautete: Nur die Sehnsucht war es wert, gelebt zu werden, nicht die Erfüllung.
    Schrödinger beugte sich zum Wasserhahn hinab und nickte ihr noch einmal aufmunternd zu. Do spürte, daß sie sich so schnell wie möglich von dem Wunschdruck befreien mußte. Der einzige Weg dorthin, den sie in der Eile sah, war es, gerade die Wunschlosigkeit zum Inhalt ihres Wunsches zu machen. Schnell schwang sie den Zauberstab hin und her und wünschte sich, sich niemals wieder etwas wünschen zu müssen. Daraufhin löste sich der Stab |238| mit einem leisen Glöckchenton in einem schrumpfenden Lichtblitz auf.
    Schrödinger, der gerade den Wasserstrahl für die Rosen (eine Sorte, die er selbst in langen Jahren gezüchtet hatte und die er beabsichtigte, auf den botanischen Namen Rosa Doisis zu taufen) in Gang setzen wollte, stockte und sah Do entsetzt an. Er kam auf sie zu gesprungen, aber er konnte die ätherische Entmaterialisierung des Zauberstabs nicht mehr verhindern. Do hatte ihn, den Magier, seiner magischen Fähigkeiten beraubt. Er brach weinend auf dem Rasen zusammen. Do beugte sich zu ihm herab, um ihm über den zitternden Kopf zu streichen. Seine grauen Haare waren unerwartet weich und dünn, und sie mußte dabei an irgend etwas denken. Auch sein Schluchzen und Wimmern kam ihr bekannt vor, und als es ihr endlich gelang, die Distanz zwischen Traum und Realität zu überbrücken, begriff sie, daß sie nicht über den Kopf des Zauberers strich, sondern über den ihres Sohnes Jonas. Wie es manchmal geschah, hatte das Kind nachts sein Bett verlassen und sich zwischen Oliver und sie gelegt. Erschreckt von einem Alptraum, umklammerte der Junge sie schluchzend.
    Im Halbschlaf drückte Do das Kind an sich, um es zu trösten. Dabei erinnerte sie sich an den Traum, aus dem sie selbst soeben erwacht war. Lange Zeit konnte sie daraufhin nicht mehr einschlafen. Die schemenhaft grauen Lichtbahnen, die durch die Rollos und Vorhänge schimmerten, zeigten an, daß draußen der neue Tag schon begonnen hatte. Ihr Geburtstag.
     
    |239| Zwei thailändische Kellner trugen das Büffet auf und sandten das ewig rätselhafte Leuchten ihres fernöstlichen Lächelns in Dos verwirrtes Bewußtsein. Die langen Tische im Garten waren mit frisch geschnittenen Efeutrieben und roten Wicken geschmückt, und an der Bar entkorkte Oliver Rotweinflasche um Rotweinflasche. Verkniffenstoisch führte er die immer gleiche Folge von Handgriffen aus: Flasche vom Tisch nehmen, entkapseln, Korkenzieher eindrehen, ziehen, Flasche zurückstellen. Er hätte sein Pensum mit roboterhafter Monotonie und ohne jede Pause abgearbeitet, wenn die Korken mit ihrer Eigenschaft, mal fester zu sitzen, mal weniger fest, dem neurotischen Gleichmaß seiner Verrichtungen nicht gelegentlich ihren unerwarteten Widerstand entgegengesetzt hätten.
    Do sah ihm schwermütig zu. Es blieb ihr aber keine Zeit, in Selbstmitleid zu versinken. Kaum waren die beiden Thailänder gegangen, trafen Helma und Mark ein. Helma rauschte ins Wohnzimmer, als eile sie ihrem Lächeln hinterher, das ihr stets einen Schritt voraus zu sein schien. Als sie Do erreichte, fiel sie ihr leidenschaftlich um den Hals. Spuren ihres schweren Dufts auf der Basis von Anis blieben auf Dos Kleidung zurück.
    »Laß dich ans Herz drücken, du Gute!«, trällerte sie euphorisch. »Ich hoffe nur, der Tag war nicht zu stressig mit all den Partyvorbereitungen. Du siehst
grandioso
aus! Ach, Liebste, mögen alle deine Wünsche und Träume in Erfüllung gehen!« Aber

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