SchrottT (German Edition)
Scheinwerferlicht nicht viel erkennen, aber die hastigen Bewegungen verrieten eindeutig, dass dort auf der von ihm aus gesehen linken Seite nicht bloß ausgelassen getanzt wurde.
Mit einem mulmigen Gefühl taumelte Colin danach in die Garderobe. Schweißgebadet, mit einem Summen im Ohr, ließ er sich auf das hautfarbene Sofa fallen, mitten in den Kram der Band, der dort herumlag.
»So schlecht waren wir noch nie«, sagte James zu dem AC/DC-Poster an der Wand. Dann verbarg er den Kopf unter einem schwarzen Handtuch mit gelben Sternen.
Tier, der im Schneidersitz auf dem Tisch saß und zwei Bierflaschen in den Händen hielt, schien zu weinen. Vielleicht war das Nasse aber auch Schweiß. »Immer falsch. Alles falsch.« Ratlos betrachtete er die beiden Flaschen.
Für einen Moment schloss Colin die Augen. War das Konzert wirklich so misslungen? Der Vergleich zum Gig in Chemnitz war offen gesagt schwierig, denn den hatte er mit getrübter Wahrnehmung erlebt. Davor … es kostete Kraft, so weit in die Vergangenheit zu scrollen. Colin kehrte in die Gegenwart zurück. Versuchte, sich zu konzentrieren. Auf James, der sich unter seinem kosmischen Handtuch versteckte. Auf Tier, der seine Flaschen anstarrte.
Niemand sah zu ihm. Sie sahen einander nicht in die Augen. Das war immer ein schlechtes Zeichen. Blicke sprachen Bände. Wer Blicke mied, wollte nicht, dass jemand etwas lesen konnte. Dicke Freunde waren sie nie gewesen, aber jetzt schien das Band zu zerfasern, das sie zu einer Einheit gemacht hatte. Zumindest auf der Bühne. Auf der Tour. Auf der Mission.
»Ich sterbe gleich vor Durst«, flüsterte Tier. »Aber ich finde einfach keinen Flaschenöffner.«
Colin wünschte sich einen Kran, der ihn von der Couch hob. Er sah sich um, aber weit und breit war keiner zu sehen. Also rappelte er sich mühevoll alleine hoch, ging hinüber zu Tiers Tisch und nahm die Flaschen in Empfang. Er sprengte die Kronkorken an der Tischkante ab, drückte Tier die eine Flasche wieder in die Hand. Die andere brachte er James. »Hier, trink was.«
Der Gitarrist schob sein Handtuch nach hinten, sodass es ihm über die Schulter fiel. »Soll ich mir den Gig etwa schön trinken oder was?«, murrte er.
»Das ist Herrenhäuser«, sagte Colin. »Schmeckt ganz gut, hab ich gehört.«
James leistete keinen Widerstand, als Colin ihm die Hand um die Flasche legte. »An den Mund heben, Schlucken nicht vergessen.«
Er holte sich eine eigene Flasche aus dem Kasten, der neben der Tür stand, und wäre fast von Lars-Peter umgerannt worden, der im gleichen Moment hereinschwebte.
»Eine professionelle Show, ich bin sehr … oh-nein-oh-nein.«
»Prost«, sagte Colin und hielt dem Manager seine Flasche hin, bevor er sich die nächste nahm.
Automatisch griff Lars-Peter nach dem Bier, dann bewegte er lautlos die Lippen.
»Das machst du immer, wenn du dich nicht traust, etwas auszusprechen«, grinste Colin und öffnete seine Flasche. »Prost!« Er hielt die Flasche hoch, aber niemand kümmerte sich darum.
»Möglicherweise habe ich versäumt, euch mitzuteilen, dass es heute … äh …«
Colin nahm einen Schluck. Das Bier war nicht kalt genug. Er verzog das Gesicht. »Rede schon.«
»Wir sind zu einer After-Show-Party eingeladen.«
»Puh«, machte Colin. »Eigentlich sind wir müde, aber da gibt es sicher was zu essen, oder?«
Lars-Peter nickte hastig. »Da bin ich sicher. Sehr sogar. Ganz und gar.«
»Kaltes Bier wäre mir lieber«, murrte James.
Colin freute sich über diesen Wortbeitrag. Er wandte sich demonstrativ an Lars-Peter. »Ich bin sicher, unser umtriebiger Manager kann sicherstellen, dass es bei der Party kaltes Bier und eine Menge weiterer Annehmlichkeiten gibt. Richtig?«
»Unbegrenzt«, beeilte sich der Manager zu versichern. »Und wir müssen dazu nicht einmal weit fahren: Die Party findet im Konferenzzentrum des Hallenkomplexes statt. Ein paar Türen weiter sozusagen.« Er klatschte in die Hände. »Also, macht euch frisch, ich suche derweil den Rest zusammen und kümmere mich um …« Er winkte ab und ging, denn niemand hörte ihm zu.
Colin marschierte geradewegs unter die Dusche. Als er sich das übertrieben heiße Wasser auf den Kopf prasseln ließ, vermisste er Blondy. Das war kein Vergleich zu der Lust, die er in Chemnitz verspürt hatte. Aber ein gewisses Interesse, nicht alleine zu duschen, war durchaus vorhanden. Er schloss die Augen und stellte sich vor …
»Verbrauch nicht das ganze Wasser alleine, Mann«, hörte er
Weitere Kostenlose Bücher