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SchrottT (German Edition)

SchrottT (German Edition)

Titel: SchrottT (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Post
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»Und das ist schon in ein bis zwei Stunden.«
    Mit einem tiefen Atemzug versucht Colin, sein Hirn mit mehr Sauerstoff zu versorgen. »Um ehrlich zu sein, würde ich nichts lieber tun, als einfach nach Hause zu fahren.«
    James nickt, brummt irgendwas Unverständliches.
    »Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mich erwartet da bestenfalls ein langweiliger Job in einer Überwachungsfirma, die einem Typen gehört, der …«
    »… Vorsitzender der ständigen Sicherheitskonferenz werden will.«
    Alle Blicke richten sich auf Tier. Der braucht einen Moment, bis er das merkt. Dann hebt er schüchtern sein Handy. »Steht hier.«
    Blondy greift nach dem Gerät, aber Tier will es nicht hergeben. »Meins«, krächzt er. Blondy piekt ihm einen spitzen Finger in die Eingeweide. Der Drummer klappt zusammen wie ein Taschenmesser, und Blondy hat plötzlich das Phone in der Hand. Sie liest laut vor: »Die privaten Landessicherheitsfirmen wollen sich künftig besser koordinieren, steht hier. Mit einem Gremium, das eine enge Zusammenarbeit ermöglichen soll. Für den Vorsitz im Gespräch ist …« Sie sieht Colin an und wirkt im funzeligen Standlicht des Busses leichenblass. »… ist Dennis Länglich, Chef einer Heidelberger Sicherheitsfirma.«
    »Wooha!«, macht James.
    »Find ich ganz und gar nicht«, sagt Blondy.
    Eins steht für Colin fest: Das sind keine guten Nachrichten. Aber auf Anhieb weiß er nicht, was er damit anfangen soll. Einigen sich die Länder auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner, wie es früher mal war, weil immer mindestens einer aus parteipolitischen Erwägungen, aus Eitelkeit oder Wichtigtuerei querschoss? Oder werden sich die ohnehin unerträglichen Sicherheitsmaßnahmen der einzelnen Länder summieren, um unter dem Strich in einer Zukunft zu kulminieren, für die es nur eine Bezeichnung geben kann – Esoterikdiktatur?
    »Wir müssen was unternehmen«, flüstert Colin.
    »Klar«, sagt James. »Wir machen einen neuen Song. Am besten drehen wir gleich hier ein Video und stellen es ins Netz. Schade, dass es dunkel ist und wir keinen Strom für unsere Instrumente …«
    »Auto«, murmelt Tier.
    »… haben. Und jetzt fragt nicht nach einem Adapter für den Zigarettenanzünder.«
    »Ich weiß es doch auch nicht«, ereifert sich Colin. »Aber wir haben doch immerhin einen kleinen Informationsvorsprung.«
    »Der worin besteht? Dass der künftige Diktator deine Mama vögelt?« James hat jetzt sehr schlechte Laune.
    »Jungs …« Blondy will sich anscheinend einmischen.
    »Lass meine Mutter aus dem Spiel«, rastet Colin aus. »Wir wissen von seinem Versuch, uns zu kaufen. Wir …«
    »Und wer glaubt uns das? Einer Crap-Metal-Band, deren Tour offiziell wegen ausbleibender Zuschauer gecancelt wurde und deren Gitarrist schon mal mit Speed Benedikt 2.0 erwischt wurde?«
    »Benedikt … wie bitte?« Colin sperrt den Mund auf.
    »Da kommt ein Auto«, sagt Blondy nachdrücklich.
    »Danke«, grunzt Tier. »Auf mich hört ja keiner.«
    »In den Bus!«, ruft Blondy.
    »Das ist nicht die Polizei«, behauptet Colin.
    »Woher willst du …«
    »Die fahren nicht mit einem klapprigen Honda durch die Gegend.«
    »Vielleicht noch jemand, der mal muss.«
    »Oder einer, der nicht weiß, dass das Museum geschlossen ist.«
    »Oder ein Fan, der ein Autogramm will«, schlägt Blondy vor und verschränkt die Arme vor der Brust.
    »Sicher«, schnaubt Colin.
    Das Auto hält in einigen Metern Abstand, der Motor verstummt. Es ist nicht zu erkennen, wer darin sitzt.
    Stille.
    Die Band wartet. Zur Flucht ist es ohnehin zu spät. Irgendein Nachtvogel singt ein kurzes Lied, dann schläft er wieder ein.
    Die Tür des Honda klappt auf.
    Als Colin erkennt, wer da aussteigt, stürmt er los.
        
     

Gelsenkirchen, 10. Juli
     
    Das Amphitheater am Rhein-Herne-Kanal war die erste und einzige Freiluft-Station auf der Tour von SchrottT. Das ehemalige Zechengelände drumherum hieß mittlerweile Nordsternpark und war zum großen Teil von einem Zeltlager besiedelt, in dem enteignete Gelsenkirchener darauf warteten, dass sie in die bei der Landeslotterie gewonnenen Einfamilienhäuser auf dem Land einziehen konnten. Anscheinend gab es da jedoch einige Verzögerungen, aber so war das nun einmal beim Hausbau. Die Altbauwohnungen, in denen die Leute früher gewohnt hatten, waren dem Erdboden gleichgemacht worden. Was der Zweite Weltkrieg nicht geschafft hatte, hatten die Nigerianer erledigt, die einheitliche Plattenbauten mit Glasfaser-Anschlüssen

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