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SchrottT (German Edition)

SchrottT (German Edition)

Titel: SchrottT (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Post
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Vergangenheitsschnipsel, schaufelt Verena und Zweieinhalb zur Seite.
    Und findet: »Sommeranfang.« Er muss grinsen. »Zufälligerweise. Da fing es an …«
        
     

Mainz, 21. Juni
     
    Der Regionalexpress hatte es so gerade noch bis Mainz Hbf. geschafft, ohne auseinanderzufallen. Eine computergenerierte Ansage entschuldigte sich für die Verspätung von zweieinhalb Stunden aufgrund von Verzögerungen im Betriebsablauf, aber nicht für die qualvolle Enge in den überfüllten, unklimatisierten Ersatzwagen an einem hochsommerlichen Sonntag. Während einige Fahrgäste die Tortur offenbar als gemütlichen Familienausflug klassifizierten, schleppte SchrottT Klamotten, Equipment und Instrumente mit sich herum, um auf Deutschlandtour zu gehen.
    »Nein«, sagte James, »zum hundertsten Mal nein. Ich glaube nicht, dass es geholfen hätte, weiter auf meinen Alten einzureden oder ihm signierte CDs zu versprechen.«
    »Nicht mal ein VIP-Ticket für eine Show?« Colin keuchte, als er seine zum Bersten gefüllte Sporttasche auf den Bahnsteig wuchtete.
    »Hör mal, bei den heutigen Benzinpreisen wäre es einfach zu viel verlangt gewesen, dass er uns bis hierher fährt.«
    »Wir hätten es ihm irgendwann zurückgezahlt.«
    »Mein Alter – pass auf, lass das nicht fallen! – ist eh nicht glücklich darüber, dass wir auf Tour gehen. Er glaubt, dass wir auf so eine Art Internetbetrüger reingefallen sind.«
    »Weiß ich doch.« Colin stöhnte, als ihn eine Familie mit drei Kindern über den Haufen rannte, als wäre er aus Luft. »Passen Sie gefälligst auf!«, keifte die Mutter und war schon außer Hörweite, bevor Colin eine passende Antwort einfiel.
    James fiel um ein Haar sein Gitarrenkoffer aus der Hand. »Im Gegensatz zu uns hat er immerhin den Vertrag gelesen.«
    »Respekt!«, sagte Colin. »Wo steckt unser Tier?«
    »Hinter dir.«
    Colin drehte sich um. Der Drummer stand unschlüssig da, trug unter seiner Manowar-Gedächtnis-Frisur ein offenes, viel zu großes Hawaiihemd und in den Händen drei Bierflaschen, deren Kälte Colins Mund aufklappen ließ.
    »Hab kein Öffner«, lamentierte Tier.
    »Woher hast du …«
    »Gib her, bevor wir verdursten!« James streckte die Hand aus, schnappte sich eine Flasche nach der anderen und entkronkorkte sie an einem Haken, der vermutlich eigens zu diesem Zweck an seinem Gitarrenkoffer angebracht war.
    »Zum Wohl«, sagte Colin, aber die anderen tranken schon.
    »Ah!«, grinste James. »Manchmal braucht man keine harten Drogen, um die Lebensgeister zu wecken.«
    »Wie bitte?« Colin zog die Augenbrauen hoch.
    Der Gitarrist winkte nur ab, nahm noch einen Schluck. Auch Colin ließ die eiskalte Flüssigkeit seine Kehle hinabstrudeln. Sofort war die strapaziöse Fahrt von Heidelberg nach Mainz nur noch ein kurioses Vergangenheitskapitel, das sich bei Gelegenheit in einem schrägen Songtext verarbeiten ließ.
    »Wohin jetzt?«, fragte James und deutete mit dem Kinn auf das Gepäck der Band.
    »Moritz hat am Telefon irgendwas von einem Sonderparkplatz erzählt. Dort erwartet uns dann unser persönlicher Manager mit dem Tourbus.«
    »Also gut.« James rülpste zurückhaltend und schob sich die halb volle Bierflasche in die Hosentasche. »Dann los.«
    Colin holte tief Luft, dann hängte er sich seine Violinentasche über die Schulter, überlegte es sich anders, legte sie wieder ab, hob sich zuerst den Rucksack auf den Rücken, dann das Instrument, zum Schluss die Sporttasche. In der freien Hand das Bier, ging er vorweg, zur Treppe, hinunter in die Unterführung.
    Da hingen überall orange Wimpel mit einer weißen, stilisierten Fratze, die ein bisschen an die Außerirdischen aus Area 51 erinnerte, die es freilich nie gegeben hatte, wenn man nicht gerade an abenteuerliche Verschwörungstheorien glaubte.
    In der Empfangshalle war der Teufel los. Mitten auf der freien Fläche hatte man einen zeltartigen Verkaufsstand errichtet, der mit denselben Fähnchen geschmückt war wie die Unterführung. Menschenmassen verstopften die Halle, und passenderweise kam überirdischer Chorgesang aus unsichtbaren Lautsprechern.
    »Was ist denn hier los?«, fasste James zusammen, was Colin gerade dachte. Dessen Blick suchte nach etwas, das er festhalten konnte, aber alles war bunt, schrill, sinnlos. Dann erfasste er endlich zwei Dinge gleichzeitig: Erstens kam der Chor nicht aus Lautsprechern, sondern es waren die Leute, die sangen. Zweitens sah er in dem ausufernden Schmuck der Halle den großen, verschnörkelten

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