Schubumkehr

man ihm schließlich zuhörte. Er gab König recht, eine Zustimmung, die diesen ungefähr so sehr freute wie ein Hautausschlag, gab in der Folge Macho recht, zumindest auf abstrakt allgemeine Weise, indem er mit ständigem Kopfnicken in seine Richtung Begriffe wie sinnvolle Strukturreform und zukunftsweisende Technologien aufgriff, um, unter dem Stöhnen der Anwesenden schließlich beim Begriff Umweltmustergemeinde Komprechts zu landen. Daher zu meinem Vorschlag, sagte er, er habe hier – noch ein Kaninchen, sagte Medwed – das Gutachten eines deutschen Geologie-Professors, der so freundlich gewesen sei, auf der Basis von ihm zugeschicktem Datenmaterial ein Ferngutachten für die Nutzung des Komprechtser Steinbruchs zu erstellen. Nun war es ganz still im Raum. Ein deutscher Wissenschaftler, Universität Bochum, das ließ alle zunächst einmal respektvoll abwartend schweigen.
    Und was ist, was sagt der Professor, kann man unseren Steinbruch weiter nutzen?
    Ja, sicher!
    Na also.
    Warte, Dolfi!
    Zwei bis fünf Kilometer unterhalb der Erdoberfläche gebe es heiße, trockene Felsmassen, die sich als Energielieferanten der Zukunft nutzbar machen ließen. In der kontinentalen Erdkruste sei soviel Wärme gespeichert, daß man damit zehn Millionen Kraftwerke mit einer Leistung von jeweils zweihundert Megawatt etwa zehntausend Jahre betreiben könnte. Die trockenen, heißen Gesteinsformationen, wie man sie unterhalb des Komprechtser Steinbruchs annehmen könne, würden von Geologen HDR – das heiße: Hot-Dry-Rock-Systeme genannt. Unser Steinbruch, sagte Trisko, sei für die Erschließung dieser riesigen Energiereserven wahrscheinlich besonders geeignet. Nun verteilte er Fotokopien der Analyse und der Skizze des Nutzungsvorschlags des deutschen Wissenschaftlers. In das Papierrascheln hinein fuhr Trisko fort: Das Verfahren sei im Grunde ganz einfach. Es müßten in der Sohle des Steinbruchs zwei Löcher in die Erde gebohrt werden, etwa zwei bis zweikommafünf Kilometer tief, und durch hydraulische Sprengungen unterirdisch miteinander verbunden werden. In die eine Bohrung werde schließlich kaltes Wasser gepumpt, das dann aus der Nachbarbohrung als heißes Wasser abgezapft werden könne.
    Macho hatte mittlerweile die Kostenkalkulation auf den Fotokopien entdeckt und rief, daß sich die erforderlichen Investitionen, soweit er sehe, auf ein Dreißigfaches der zur Verfügung stehenden Mittel beliefen, auf ein Dreißigfaches, rief er immer wieder. Langfristig, rief Trisko, bitte langfristig. Außerdem verwies er auf den Passus, daß für solche Projekte auch EG-Gelder zur Verfügung stünden. Seit wann seid ihr Grünen für die EG?
    König nahm die Thermosflasche, schenkte sich Kaffee ein, verzog den Mund, weil der Kaffee in der Kanne mittlerweile schon kühl geworden war, und sagte: Lieber Trisko, das klingt ja sehr einfach, wissenschaftlich sicher kein Problem. Aber ich frage dich jetzt folgendes: Alle hier in der Gemeinde haben warmes Wasser. Was ist also gewonnen, wenn wir mit Millionen- oder gar Milliardenaufwand warmes Wasser produzieren und das eine warme Wasser durch das andere warme Wasser ersetzen? Und: Kann man davon leben, daß wir das andere warme Wasser haben? Werden dann unsere Arbeitslosen in heißen Badewannen sitzen und glücklich vergessen, daß sie arbeitslos sind? Königs Gesicht war nun ganz weiß, zwischen seinem rechten Mundwinkel und der Wange begann ein nervöses Zucken, er stand auf, stemmte die Fäuste auf den Tisch: Und es wird schon so sein, daß kaltes Wasser, wenn man es in eine heiße Röhre schüttet, aufgewärmt wird, aber – und nun schrie er – sagt dir nicht der gesunde Menschenverstand, daß das kalte Wasser, wenn wir es ununterbrochen in eine heiße Röhre pumpen, schließlich nicht mehr selbst aufgewärmt wird, sondern die heiße Röhre auskühlen wird, und – seine Stimme kollabierte fast – und am Ende haben wir mit kaltem Wasser kaltes Wasser produziert. Er riß die Thermoskanne hoch: Das funktioniert nicht so wie dein Kräuterteesamowar, mein Lieber!
    Dolfi, das ist ein Unsinn, sagte Trisko, da ist Wärme für tausend Jahre gespeichert, und, bitte warte einmal, jetzt kommt Punkt zwei. Zusätzlich zu dem zukunftsweisenden Kraftwerk könnte man den Steinbruch weiters als Einnahmequelle nützen, indem man ein Steinbruchmuseum – Geschichte und Zukunft am selben Ort –
    Ein Museum, ja? Und wer soll hineingehen in dein Museum? Die, die vorher dort gearbeitet haben? Sollen die Eintritt