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Schubumkehr

Schubumkehr

Titel: Schubumkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Menasse
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Pensionistenverein alles anders geworden, hatte die Schneider, die Krejci gesagt, die Interessen, verstehst du, da sind jetzt andere Interessen. Wir sind jetzt ein junges Team, hatte sie gesagt. Die Vereinsabende, sicher, wenn sie, die Nemec, unbedingt noch hinkommen wolle, sie sei selbstverständlich weiterhin gern gesehen, aber im Vorstand könne die Nemec nicht mehr bleiben, das passe nicht mehr, wegen der jetzt ganz anders gelagerten Interessen, das werde sie doch verstehen. Und die Vereinsaktivitäten, hatte Frau Schneider gesagt, würden jetzt wirklich Aktivitäten werden, alles viel aktiver, wären ja junge Menschen jetzt, die wollten was erleben, was sehen, aber für sie, die Nemec, wäre das wohl nichts, das würde sie doch verstehen, also die Busausflüge zum Beispiel, nach Tirol oder nach Prag, da brauche sie nicht mitzukommen, das sei ihr sicherlich schon zu beschwerlich, und wie kämen die anderen dazu, daß sie dauernd aufgehalten würden wegen wegen weil halt die Alten nicht mehr so konnten.
    Der alte Wald neben ihrem Haus sah jetzt aus wie eine Baumschule, und der Pensionistenverein ist ein junges Team geworden, Frau Nemec sah hinunter auf die Sohle des Steinbruchs, wo Ölzant inzwischen wieder einen Stein bearbeitete, aber sie konnte die Schläge, von denen sie sah, daß er sie machte, nicht hören. Sie hatte die Stimme der Schneider im Ohr, junges Team junges Team, als sie zu ihrem Haus zurückging, Museum Museum, das war die Stimme von König.
8.
    Die Gemeinde war von einer großen Euphorie erfaßt. Bis zum Herbst würden die Außenarbeiten fertiggestellt sein, der Winter sollte bequem für die Innenarbeiten reichen, Einbau der Heizungen, Legen der Fußböden, Tapezieren, Verfliesen der Badezimmer, und in der Gemeinde war immer noch genug Geld da, um Blumentröge zu kaufen für den Hauptplatz, um neue Hochsitze aufstellen zu lassen, am Wald entlang hinunter zum Braunsee. Das war die Empfehlung des Mannes von der Werbeagentur gewesen, und sie wurde vom Gemeinderat aufgegriffen und in die Tat umgesetzt, ohne Gefühl, des Guten zuviel, die neuen Hochsitze standen in so geringem Abstand nebeneinander, daß der Eindruck einer Wachtturmreihe entstand, einer neuen Grenze, die, etwas zurückversetzt, parallel zur Staatsgrenze verlief, eine zweite Sicherheitslinie, falls die erste unerwarteterweise nachgeben sollte.
    Das Geschäft des »Hirschen« blühte, von Zusperren war keine Rede mehr, im Gegenteil, der Wirt beschloß, nicht zuletzt in Erwartung noch wachsender Umsätze durch die Touristen im kommenden Jahr, in eine Kegelbahn zu investieren. Um in dem kleinen alten Gasthaus, das hintenhinaus Platz nur für einen kleinen Anbau hatte, eine Kegelbahn unterzubringen, mußte das Extrazimmer geopfert werden. Just hier, wo er sich vom Fortgang der Umbauarbeiten überzeugte, erfuhr König, daß Verena angeblich an diesem Vormittag ins Spital nach Schruns gebracht worden sei. Ob es Komplikationen gäbe? Nein, es sei soweit, die Wehen hätten eingesetzt. König sah auf den Bauschutt in diesem Zimmer, auf die durchgebrochene Wand, auf den Staub, und ging in den Gastraum zurück. Er trank das Bier aus, sah auf die Uhr und beschloß, zu Fuß zum See hinunterzugehen.
    Überall diese Geschäftigkeit. Ja, die Gemeinde war euphorisch, ihr neues Gesicht wurde sichtbar, man hatte sich bereits auf Richtpreise für die Vermietung der Gästezimmer geeinigt, in den letzten Tagen waren Dutzende Taschenrechner im Kaufhaus verkauft worden, mit denen die Menschen bereits die Einkünfte des nächsten Jahres kalkulierten.
    Auf dem neuen Parkplatz standen die Autos der Vertreter des Gemeinderats, des Vizebürgermeisters, des Baumeisters, des beeideten Sachverständigen für Bauwesen, des Vertreters der Baubehörde des Landes, und ließen erahnen, wie es hier einmal bei laufendem Badebetrieb sein werde. Die Kollaudierung der fertiggestellten Badeanlagen und des neuen Strandgebäudes war eine bloße Formalität, und so fiel es nicht auf, daß König nicht bei der Sache war. Man schritt ab, begutachtete, lobte, nickte, unterschrieb und schüttelte Hände, man war bester Laune, man war euphorisch, warum war König so nervös? Er war der King, und er stand vor einem Denkmal seiner Amtszeit, er war, wie Ingenieur Mader von der Landesbaubehörde anerkennend beim Abschied sagte, der Vater des neuen Komprechts. Danke, Herr Ingenieur. Den Bürgermeister fröstelte. Es schien zwar die Sonne, aber sie verlor schon an Kraft, es war zwar warm,

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