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Schüchternheit der Pflaume

Schüchternheit der Pflaume

Titel: Schüchternheit der Pflaume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Kanzler
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offensichtlich zu den Menschen, die immer einen halben Schritt zu nahe kommen. Menschen, deren Wohlfühlradius ein Stück verkürzt ist.
    »Sie sind die junge Dame, die wegen des kalifornischen Weins hier ist?«, fragt sie.
    Ich nicke. Verwirrt versuche ich zu erkennen, ob ich Damlas Mutter oder Tante gegenüberstehe. Weil sie so dicht vor mir steht, fällt es mir schwer, ihre Erscheinung zu sortieren. Sie hat einen wachsamen, sich immerfort bewegenden Blick. Die Fältchen um ihre Augen und ihren Mund nehmen alle paar Sekunden andere Formen an.
    Ich hangle mich an dem Gespräch über den Kalifornier entlang. Es stellt sich heraus, dass ich mir tatsächlich einen Exoten ausgesucht habe. Sie wolle ein paar Lieferanten befragen und mich in ein paar Tagen anrufen. Es könne durchaus sein, dass die Zustellung mehrere Wochen dauere. Ich lehne höflich ab. Den Preis will ich gar nicht wissen. Es fällt mir schwer, mein Spiel weiter glaubhaft zu verkaufen. Ich fasle immer mehr Unfug.
    Mit jeder Sekunde kommt mir meine Freikartenidee hirnrissiger vor. Alles, was ich schenken kann, ist meine verdammte Musik. Warum sollte Damla von allen Geschenken der Welt gerade dieses annehmen. Warum sollte sie überhaupt Geschenke von mir annehmen.
    »Ist eigentlich Damla da?«, höre ich mich fragen.
    Verwundert schaut die Muttertante mich an.
    »Wie nett. Ihr kennt euch?«
    »Wir sind Bekannte.«
    »Damla freut sich bestimmt. Moment. Ich schicke sie runter.«
    Die Rotgelockte schwingt sich zurück durch die Tür hinter der Ladentheke. Wieder stehe ich ratlos zwischen den Feinkostsachen herum. Zweifle langsam an meinem Verstand. Bestehe darauf, irgendeine Art von Kontakt zu Damla zu knüpfen. Und sei es nur die Ohrfeige, die ich irgendwann bekomme, wenn ich so weitermache.
    In diesem Moment geht bimmelnd die Ladentüre auf, und eine hochgewachsene Frau tritt ein. Ein paar unentschlossene Sekunden lang hängt mein Blick in ihrem Gesicht. Dann erkenne ich sie. Es ist die Paillettenfrau, die dich und Damla begleitete, als ich euch zum ersten Mal im Fairy Club sah. Heute trägt sie keine Pailletten, sondern eine Wildlederjacke und Turnschuhe. Sie grüßt mich mit einem kühlen Nicken und verschwindet ohne Zögern in der Tür hinterm Ladentisch. Es wird immer besser, denke ich und setze mich mit großer Vorsicht auf einen bunten Hocker. Weglaufen werde ich ja doch nicht. Die gut gekleidete Kundin hat sich inzwischen für zwei Schokoladen entschieden und verlässt stöckelnd das Geschäft. Ich blicke ihren Stiefelabsätzen wie einem langsam davonwippenden Rettungsboot hinterher.
    Von draußen fällt ein dünner Streifen Herbstlicht ins Ladenfenster, die Luft bleibt silbern wie die neben mir drapierten Bestecksets, selbst der Abend macht den Himmel nicht mehr richtig rot. Ein Hund schreckt einen Schwarm Tauben auf, vielleicht der Schnauzer von letzter Woche. Vier, fünf Vogelwölkchen ergießen sich in den Silberhimmel.
    »Was willst du von Damla?«
    Ich drehe mich um. Die Paillettenfrau tritt mit raschen Schritten heran, hält das Kinn leicht erhoben, die Oberlippe wie beim Anblick einer verdorbenen Speise geschürzt. Ich kenne noch nicht einmal den Namen dieser Frau. Die Feinkostangestellte schaut besorgt herüber, beschließt dann allerdings, die Auslagen auf der kleinen Fischtheke zu sortieren, ein paar Eiswürfel nachzulegen.
    »Ich wollte ihr die hier schenken«, sage ich und hole die Freikarten aus der Tasche.
    Damlas Freundin wirft einen flüchtigen Blick auf die Papierchen.
    »Lass sie in Ruhe. Damla will dich nicht sehen. Weder hier noch auf der Bühne. Meine Güte. Und ich dachte, du hättest den Anstand, endlich aus ihrem Leben zu verschwinden.«
    »Ich bin nun mal auch da. Ich will ja nur, dass sie weiß, dass ich ihr nichts wegnehmen will. Nicht Fender und nichts sonst.«
    »Der Macker. Meine Güte. Der gehört kräftig in die Eier getreten, wenn du mich fragst. Aber das kann ich Damla nicht antun.«
    »Ich weiß nicht. Er war nie der Typ für klassischen Beziehungskram«, sage ich.
    Am liebsten will ich einen Vortrag halten. Über Liebe. Über Freiheit. Natürlich finde ich kein einziges Wort. Nur ein leidenschaftlicher Funke springt aus meinen Augen auf die Paillettenfrau über. Sie leitet ihn mühelos ab. Lässt mich abblitzen wie einen ungewollten Lover.
    »Meine Güte. Es reicht. Raus hier.«
    Ihre Stimme ist schneidend geworden. Sie ragt einen Kopf über mich hinaus und gibt einen guten Bodyguard ab. In ihren Augen spiegelt

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