Schütze meine Seele: Soul Screamers 4 (German Edition)
das testosterongesteuerte Imponiergehabe der beiden zu nehmen, mit dem sie sich gegenseitig einzuschüchtern versuchten.
„Hast du schon mal was von astraler Projektion gehört?“, fragte Nash.
Ich nickte. „Das ist, wenn jemandes Bewusstsein den Körper verlässt und so an einen anderen Ort gehen kann, obwohl die Person dabei wach bleibt. Richtig?“
„Grundsätzlich ja. Was Sabine tut, ist dem ziemlich ähnlich. Nur, wenn sie ihr Bewusstsein von ihrem Körper abkoppelt – sie nennt es Schlafwandeln –, nimmt sie die verborgenen Ängste der Menschen und produziert daraus Albträume, sobald die Betroffenen schlafen. Sie sagt, es sei wie Stricken, bloß ohne echtes Garn.“ Er zuckte die Achseln. „Dann frisst sie die Furcht, die durch den Traum entsteht, den sie erzeugt hat.“
„Und dazu setzt sie sich auf die Brust ihres Opfers“, fügte Todd hinzu, halb zufrieden, halb angeekelt von dem Detail, das er soeben in Nashs Erklärung eingeworfen hatte.
„Sie sitzt auf dessen …?“ Auf meiner Brust. Mir wurde übel. „Das ist jetzt nicht dein Ernst. Ich liege also im Bett und schlafe – nichts Böses ahnend –, und sie schleicht sich in mein Zimmer, setzt sich auf mich drauf und strickt in aller Ruhe einen hübschen Horrorpullover, für den sie die Wolle direkt aus meinem Gehirn holt?“ Was ich da redete, hörte sich so verrückt an, dass ich fast befürchtete, jeden Augenblick würde die Tür auffliegen und Männer in weißen Jacken kämen hereingestürmt, um mich zurück in die Psychiatrie zu verfrachten.
„Nicht sie. Nur der Teil von ihr, der schlafgewandelt ist“, versuchte Nash hilflos, das Ganze ein wenig abzumildern.
„Ach, und du meinst, dadurch fühle ich mich jetzt besser? Wie konntest du mir das verschweigen? Schon in der Sekunde, als sie in der Schule aufgetaucht ist, hättest du es mir erzählen müssen“, warf ich ihm vor. Und als ihm darauf keine passende Antwort einfiel, drehte ich mich wortlos um und marschierte geradewegs aus dem Zimmer, durchs ganze Haus und zur Haustür hinaus.
„Kaylee, warte!“, rief er. Aber ich dachte nicht daran. Ich stieg in mein Auto und fuhr ohne mich noch einmal umzudrehen nach Hause, so wütend und enttäuscht, dass ich die ganzeFahrt über alles um mich herum nur durch einen blutroten, flatternden Schleier sah.
Sabine wollte einen Albtraum?
Den kann sie kriegen …
7. KAPITEL
Nash liegt auf dem Boden und beobachtet mich. Er ist nicht im Bett, und ich verstehe nicht, warum, denn er wirkt krank. Sein Gesicht ist kreidebleich, und ihm rinnen Schweißtropfen über die Stirn und die nackte Brust. Er sollte sich ein wenig Ruhe gönnen.
Stattdessen starrt er mich an, und in seinen vorwurfsvollen Augen tobt ein Wirbelsturm. Anklage, Schmerz, Beschämung – all das schwirrt durcheinander, so schnell, dass ich eine Emotion kaum von der anderen trennen kann. Sie verschmelzen zu einer heftig pulsierenden Masse, bis Interpretationen keine Rolle mehr spielen, denn jedes dieser Gefühle ist, ob allein oder in ihrer Gesamtheit, auf mich gerichtet. Was auch immer ihm fehlt, es ist meine Schuld.
Mein Magen verkrampft sich, und ich friere plötzlich erbärmlich und beginne zu zittern. Ich gehe durchs Zimmer und lasse mich vor Nash auf die Knie fallen, in der Ecke, in der er sich zusammengekauert hat. Sein Blick ist abwesend. Die Lider halb geschlossen. Ich nehme seine Hand, und sie ist eiskalt.
Nein! Das kann nicht wirklich geschehen. Nicht noch einmal. Er hat doch aufgehört!
Dann sehe ich es. Es blitzt durch die kleine Lücke zwischen seinen zur Faust geballten Fingern. Ein einzelner roter Ballon, halb entleert. Ich hasse diesen Ballon. In diesem grauenhaften, irrationalen Moment hasse ich jeden Ballon auf der Welt. Egal welchen.
„Kaylee …?“, flüstert er schwach, eine Hand nach meinem Gesicht ausstreckend. Die andere bleibt um den Ballon geschlossen, und das beunruhigt mich. In seinem Zustand könnte er jeden Augenblick die Kontrolle darüber verlieren. Wenn er losließe, wäre innerhalb von Sekunden der gesamte Raum verseucht, das Gift würde in unsere Lungen strömen und uns wahrscheinlich beide umbringen.
Ich nehme den Ballon an mich, ganz langsam und vorsichtig, damit ich nicht aus Versehen etwas von dem tödlichen Inhalt entweichen lasse. Ich knote das Ende zu, die Zähne zusammenbeißend, als eine unnatürliche Kälte meine Hände hinaufkriecht. Meine Knöchel schmerzen, und meine Finger werden steif, aber der Knoten hält
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