Schuld währt ewig
einem Mörder anzulegen? Er hatte doch mit eigenen Augen gesehen, mit wem er es zu tun hatte. Mit einem, der kaltblütig war und vor nichts zurückschreckte. Doch vielleicht hatte Voigt nicht geglaubt, es mit einem Mörder zu tun zu haben, sondern mit einem, der Unfallflucht begangen hatte. Vielleicht hatte er die Gefährlichkeit des Mannes einfach nicht erkannt. Einen Moment tat Voigt ihm leid, im nächsten kam die Wut. Wenn Voigt ausgepackt hätte, wären Martina Oberdieck und Margarethe Hasler noch am Leben. Und er selbst auch. Wie konnte man nur so dämlich sein! Herrgott!
64
»Wir haben Voigt vor zwei Stunden aus dem Feringasee gezogen. Genickschuss. Eine Hinrichtung. Glaubst du nun, dass er Flades Mörder ausfindig gemacht hat?«
Dühnfort stand in Leyenfels’ Büro vor dem Schreibtisch. Regen rann an den Scheiben hinab. Im Zimmer brannte Neonlicht, das dem Staatsanwalt eine ungesunde Gesichtsfarbe verlieh. Über die Lesebrille hinweg sah er Dühnfort an.
»Voigt wurde also von Flades Mörder erschossen? Woher weißt du das?«
Dühnfort spürte, wie sein Blutdruck stieg. Er zwang sich, ruhig zu bleiben. »Der kausale Zusammenhang liegt auf der Hand. Voigt hat den Unfall fotografiert. Als ehemaliger Mitarbeiter der Zulassungsstelle verschafft er sich die Halterdaten, vermutlich mit Hilfe Hilmers. Er erpresst Flades Mörder und bezahlt das mit dem Leben. Wir brauchen Einblick in die Abfragen, die Hilmer gemacht hat. Bekomme ich jetzt den Beschluss, den du gestern nicht rausrücken wolltest?«
»In sich logisch. Aber du hast für keinen einzigen Punkt deiner Kausalkette auch nur einen Beweis. Wo sind …«
Dühnfort verlor die Geduld. »Herrgott! Muss ich …«
»Wo sind die Fotos? Gibt es einen Zeugen, der gesehen hat, wie Voigt fotografierte? Lag irgendwo ein Zettel mit Kennzeichen und Halterdaten und ein Erpresserschreiben? Hat jemand Voigt in der Zulassungsstelle …«
»Vermutlich ist er gar nicht tot und springt gleich vom Tisch der Weidenbach und ruft April, April! Verdammt.« Dühnfort spürte seinen Pulsschlag im Hals vibrieren. Mit einem Griff zog er den Besucherstuhl heran. Die Metallbeine quietschten auf dem Boden. Er setzte sich, stützte die Unterarme auf den Schreibtisch und fixierte Leyenfels’ Blick. Diesen Raum würde er erst verlassen, wenn der Beschluss beantragt war. »Voigt ist aber tot. So was von tot, und sei froh, dass er das schon seit Tagen ist und du dein Gewissen nicht mit der Frage nach einer eventuellen Mitverantwortung strapazieren musst.«
Leyenfels lehnte sich hinter seinem Schreibtisch zurück und legte die Handflächen aneinander. »Also gut. In diesem Fall geht das wohl.«
»In diesem Fall? Du tust, als wäre das ein Gnadenakt.«
»Tino, so kenne ich dich nicht. Wenn Helmbichlers Angriff dich psychisch belastet, solltest du ärztlichen Rat suchen.«
Dühnfort stand auf. Er hatte erreicht, was er wollte, und außerdem die Sorge, gleich laut zu werden. Richtig laut. »Sag Bescheid, wenn der Beschluss da ist.« Mit diesen Worten verließ er Leyenfels und kehrte in sein Büro zurück.
Es lag nicht an Helmbichlers Attacke. Es lag an den Ermittlungen. Vier Tote, und nichts ging wirklich voran. Sie brauchten die Halterdaten, und dann würde sich das schlagartig ändern. Dann hatten sie ihn!
Eine Stunde später rief Leyenfels an. Der Beschluss war da. Dühnfort schickte Meo damit los.
Am frühen Nachmittag kehrte Meo mit den Datensätzen zurück. Erwartungsgemäß waren es nicht viele, denn die Polizei machte ihre Halterabfragen selbst. Eine knappe Seite mit Kennzeichen und Angaben zu den Fahrzeughaltern, die Hilmer abgefragt hatte. Im fraglichen Zeitraum waren es nur drei. Sie glichen sie mit den Namen aller bisher in den Ermittlungen aufgetauchten Personen ab.
Es war keiner dabei, der ihnen etwas sagte. Und vor allem keines der Fahrzeuge. Ein Fiat Punto, ein 3er BMW , ein Lieferwagen. Zwei Anfragen von Versicherungen, eine von einem Rechtsanwalt. Alles korrekt.
Kein SUV weit und breit. Merde! Wieso das? Dühnfort glaubte das nicht. Verflucht noch mal!
Er traute seiner Intuition. Hilmer hatte Voigt die Daten besorgt. Nur wie? Kannte er die Logindaten eines Kollegen und hatte damit die illegale Abfrage gemacht?
Zum zweiten Mal ließ Dühnfort Hilmer zur Zeugenbefragung bringen und wählte dafür den Vernehmungsraum. Vielleicht machte das mehr Eindruck auf den Mann als die freundliche Büroatmosphäre.
Kaltes, abweisendes Neonlicht, ein Einwegspiegel an der
Weitere Kostenlose Bücher