Schuld währt ewig
getrennt und doch so nah. Blendende Helligkeit, tiefe Schatten. Ausg’redt is. Scho lang.
Dühnforts Schultern versteiften sich. Nichts war passiert. Es ging ihm gut. Eine Welle von Glück durchfuhr ihn. Er presste die Lippen aufeinander, bis sie schmerzten. Alles war gut. Alles war gut.
Jemand klopfte kurz an die Tür und öffnete sie. Gina. Er wusste es, bevor er sie sah, sammelte sich und drehte sich um.
»Hat Hilmer den Mund aufgemacht?«
»Er spielt die drei Affen. Er hat von Voigt nichts gesehen, nichts gehört und auch nicht mit ihm geredet. Und er lügt.«
Die Falte an der Nasenwurzel erschien. »Ist was mit dir?«
»Was soll denn sein? Ich bin müde und hungrig. Wir sollten langsam Feierabend machen. Morgen ist auch noch ein Tag. Ist Alois eigentlich schon von Mertens zurück?«
»Bis jetzt nicht.«
»Gibt es Unklarheiten?«
»Du kennst doch Mertens. Der ist noch penibler als du.«
Dühnfort gefiel das nicht. Alois hatte sich nichts zuschulden kommen lassen. Er hatte korrekt gehandelt, und das rasend schnell und unter widrigen Umständen. Wehe, wenn Mertens ihm was am Zeug flicken wollte.
Gemeinsam mit Gina machte er sich auf den Heimweg. Die Fußgängerzone leerte sich.
Die grellen Lichter der Stadt, der über allem wabernde Geruch nach Glühwein und Lebkuchen und das ständige Gedudel von Weihnachtsliedern gingen Dühnfort auf die Nerven. Am liebsten wäre er rausgefahren, an den Starnberger See, zu seinem Boot. Sich an Deck setzen, in den Himmel sehen, nach Le Casserole suchen und seine Gedanken in der Stille der Nacht schweifen lassen, das war es, wonach er sich in diesem Moment sehnte. Doch sein Boot lag im Winterquartier, und der Himmel war bedeckt.
63
Am nächsten Morgen war Alois wieder an seinem Platz. Dühnfort fragte, wie es ihm bei Mertens ergangen war.
»Alles paletti. Ich hatte nur diese eine Möglichkeit. Nun ist das amtlich und erledigt, und die Presse geht mir sowieso am Arsch vorbei. Sollen sie schreiben, was sie wollen. Heute Abend liegt das im Altpapier, und morgen ist es vergessen.«
Dühnfort hatte die Headlines gesehen. Überwiegend waren sie sachlich. Polizist erschießt in Nothilfe Malermeister. Ex-Knacki bei Mordversuch von Polizei erschossen. Mordversuch an Kriminalbeamten auf dem Friedhof. Täter von Polizei erschossen. Doch eine der Boulevardzeitungen hatte das Thema reißerischer aufgemacht: High Noon auf dem Gottesacker. Münchner Polizist überfordert?
Dühnfort lehnte sich an die Kante des Fensterbretts. Es war Zeit, das Thema ganz zu klären. »Ich nehme an, du hattest eine Vermutung, wie Gina und ich zueinander stehen, und wolltest eine Bestätigung dafür. Deshalb warst du auf dem Friedhof. Von dort hat man eine tolle Aussicht auf meine Wohnung. Oder?«
Ein Schulterzucken war die Antwort. Alois lehnte sich im Bürostuhl zurück und wich Dühnforts Blick nicht aus. Mal sehen, was da kommt, drückte seine Haltung aus, und gleichzeitig Abwehr, als er die Arme verschränkte.
»Ich weiß, dass meine Beziehung zu Gina arbeitsrechtlich gesehen problematisch ist. Wir sind dabei, das zu lösen. Gib uns noch ein wenig Zeit. Ihr fällt die Entscheidung schwer, das Team zu verlassen. Und glaub mir: Meine Entscheidung, dass sie zur Weiterbildung geht, hat damit nichts zu tun. In dieser Ermittlung arbeitest du hervorragend. Das muss auch mal gesagt werden. Beim nächsten Mal bist du dran.«
»Dann ist es ja gut.« Alois gab die abwehrende Haltung auf. »Und alles gesagt.«
Offenbar hatte er keine Lust, weiter auf seine Anwesenheit auf dem Friedhof einzugehen. Sie war ihm wohl peinlich. Ganz ähnlich war Dühnforts Gefühlslage. Die Vorstellung, dass er sein Leben dem Umstand verdankte, dass sein Mitarbeiter ihn ausspioniert hatte, hinterließ ein beklemmendes Gefühl.
Gina kam zur Tür herein. »Da seid ihr ja. Ich glaube, Voigt taucht demnächst wieder auf. Eine Streife hat sein Auto entdeckt. Es steht auf dem Parkplatz am Feringasee. Bachmaier und seine Taucher habe ich schon angefordert. Buchholz ist auch unterwegs. Packen wir’s?«
Zwanzig Minuten brauchten sie durch die Stadt bis zum Biergarten am See, der seit Wochen geschlossen war. Voigts Opel stand unter einer kahlen Eiche, der grüne Bus der Polizeitaucher am Ufer. Als Dühnfort daneben parkte, kam Bachmaier mit zwei seiner Leute heraus. Er in Zivil. Sie in Tauchanzügen, die Flossen in der Hand.
Bachmaier begrüßte Dühnfort mit Handschlag. »Ihr denkt, der Wagenbesitzer liegt da drin?« Er wies auf
Weitere Kostenlose Bücher