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Schuld währt ewig

Schuld währt ewig

Titel: Schuld währt ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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Kreuzung Vockestraße bog Dühnfort ab und passierte das Bezirkskrankenhaus Haar, dessen Gründerzeitfassaden hinter kahlen Bäumen schimmerten. Vor einigen Jahren hatte man es in Isar-Amper-Klinikum München-Ost umgetauft. Wieder einmal dachte er, dass Worte wie Farbe sein konnten. Bezirkskrankenhaus. Das klang nach Nationalsozialismus, Euthanasie und Hungerhäusern. Statt die Geschichte des Klinikums aufzuarbeiten, hatte man es umbenannt. So einfach ging das. Augen zu und durch. Schwamm drüber. Erinnern? Wozu? An wen? An die über vierhundert schwerstbehinderten Ballastexistenzen , die man hier während der Nazizeit auf preiswerte Art ermordet hatte, indem man sie hungern ließ, bis sie weniger und weniger wurden und von selbst gingen ?
    Herrgott! Mit einer Hand hieb er auf das Lenkrad und wunderte sich im selben Moment darüber. Irgendwie war er dünnhäutiger geworden, empfindlicher. Etwas in ihm geriet in Schieflage. Warum? Doch nicht Helmbichlers Messerattacke? Sicher nicht. Er war überarbeitet. Das war alles.
    Das Ortsschild Ottendichl erschien im Blickfeld. Dühnfort bog in eine Seitenstraße ab und parkte vor einer Doppelhaushälfte aus den siebziger Jahren. Auf der anderen Straßenseite stand ein grauer Golf. Die Observierung lief. Kölle saß am Steuer, Rauchenbichler auf dem Beifahrersitz. Hilmer war also daheim und nicht an seinem Arbeitsplatz. Verdammter Mist!
    In der Hoffnung, Frau Hilmer würde öffnen, klingelte Dühnfort. Doch es war ihr Mann. Er wirkte keineswegs überrascht. »Was soll das Theater?« Er wies auf den Golf. »Verschwendung von Steuergeldern ist das, und außerdem Rufmord. Was meinen Sie, wie sich die Nachbarn das Maul zerreißen, wenn hier die Polizei vor der Tür steht und mich observiert wie einen Verbrecher.«
    »Die Kollegen sind zu Ihrer Sicherheit da. Auch wenn ich mich wiederhole …«
    »Jetzt wiederhole ich mich«, fiel Hilmer ihm ins Wort. »Ich habe keine Halterabfrage für Eugen gemacht. Das haben Sie doch inzwischen schwarz auf weiß.« Hilmer lief rot an. An der Schläfe pochte eine Ader.
    »Ich würde gerne Ihre Frau sprechen.«
    »Sie ist nicht da. Und jetzt verschwinden Sie. Jetzt hauen Sie hier ab!« Einen Moment lang maßen sie sich mit Blicken. Eine Spur von Angst lag in Hilmers. Die Tür schlug zu.
    Gut, dann musste das anders gehen. Dühnfort wechselte auf die gegenüberliegende Straßenseite und klopfte an die Scheibe des Golfs. Kölle ließ sie herunter. Eine Wolke von Zigarettenrauch wehte Dühnfort entgegen. Er grüßte die Kollegen und fragte, ob Frau Hilmer daheim war. Kölle nahm die Zigarette aus dem Mund und stippte den Aschekegel aus dem Fenster. »Sie ist vor zwanzig Minuten weggefahren und hatte ein Netz voller Bälle dabei. Falls dir das weiterhilft.«
    »Mal sehen.« Dühnfort rief Gina an. Er erfuhr, dass Erika Hilmer an einer Hauptschule in Haar Deutsch und Sport unterrichtete, und fuhr dorthin.
    Die Aula lag still und verlassen vor ihm. Durch eine Glasfront blickte er auf den Schulhof. Das Gebäude war in L-Form gebaut. Am westlichen Flügel befand sich weit oben eine Reihe schmaler Fenster. Vermutlich die Turnhalle. Dühnfort folgte einem Flur und erreichte die Halle, aus der Geschrei erklang, das Quietschen von Turnschuhen auf Holzboden und in regelmäßigen Abständen der schrille Klang einer Trillerpfeife.
    Noch zehn Minuten, bis die Stunde beendet war. Dühnfort wartete, bis der Gong erklang, die Türen sich öffneten und eine Horde Kinder lärmend an ihm vorbei zu den Umkleideräumen stürmte. Eine kleine, drahtige Frau mit dunkler Kurzhaarfrisur, deren Ansätze grau herausgewachsen waren, folgte ihnen. Mit federndem Schritt ging sie über den Kunststoffnoppenboden und zog ein Netz voller Bälle hinter sich her. Als sie sich Dühnfort näherte, taxierte sie ihn mit einem Blick von Kopf bis Fuß. Energisch und durchsetzungsstark. Das war Dühnforts Eindruck. Er stellte sich vor und fragte, ob sie ein paar Minuten Zeit hätte.
    »Ach, Sie sind das.« Die Lippen kräuselten sich. »Das hat keinen Sinn. Karl hat sich nichts vorzuwerfen.«
    »Sind Sie sich da absolut sicher?«
    Den Bruchteil einer Sekunde zögerte sie. »Man kann sich nie sicher sein. Letztlich kennt man nur sich selbst, und auch das oft nicht wirklich. Also: nein. Absolut sicher bin ich mir nicht. Da es aber nicht zu Karl passt und ich keine Möglichkeit sehe, wie Eugen ihn dazu gebracht haben könnte, gegen alle Vorschriften zu verstoßen, bin ich mir nur annähernd

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