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Schuld währt ewig

Schuld währt ewig

Titel: Schuld währt ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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einen gemütlich eingerichteten Raum. Dunkles Holz, helle Stoffe, Kerzen und Adventsgestecke auf den Tischen. An einem saß eine Canastarunde. Drei weißhaarige Damen, ein glatzköpfiger Mann. Hinter der Theke dampfte ein Gaggia-Vollautomat. Espresso in Sicht. Er bestellte einen Doppio und wurde tatsächlich gefragt, ob es ein Decaffeinato sein sollte. Das aufsteigende Lachen unterdrückte er und verneinte. Bis er koffeinfreien Kaffee trinken würde, musste noch ein gefühltes Jahrhundert ins Land gehen.
    Was geschah mit ihm? Woher kamen diese Stimmungsschwankungen? In einem Moment fühlte er sich alt und kraftlos, im nächsten albern und ausgelassen. Was schob sich zwischen ihn und die anderen, wie Milchglas?
    Während er noch auf den Espresso wartete, betrat eine zierliche Frau das Café. Ihr Haar war nussbraun gefärbt und lag in gepflegten Wellen um den Kopf. Sie trug einen grauen Hosenanzug mit vanillegelber Bluse und dazu eine schmale Goldkette mit Brillantanhänger.
    Suchend sah sie sich um und steuerte auf die Theke zu. »Herr Dühnfort, nehme ich an?« Ihre Stimme war hell und klar.
    »Frau Freude. Schön, dass Sie Zeit haben.«
    »Zeit hat man in meinem Alter mehr als genug.«
    Der Espresso war fertig. Er fragte, ob sie etwas trinken wollte, und bestellte das gewünschte Kännchen Tee. In einer Fensternische war ein Tisch frei. Dort setzten sie sich.
    »Es geht um mein verschwundenes Handy, nehme ich an.«
    Dühnfort nickte und trank den Espresso in zwei Schlucken. Er war heiß und stark. »Es spielt in einer Ermittlung eine Rolle. Sie haben es verloren?«
    Der Tee wurde gebracht. Sie schenkte sich die Tasse voll. »Es ist vor etwa vier Wochen verschwunden. Ich verwende es nur, wenn ich in die Stadt fahre. Dann nehme ich es von der Kommode und lege es in die Handtasche. In meiner Wohnung benutze ich nur das normale Telefon. Also das mit Kabel. Wobei das ja auch kein Kabel hat. Sie wissen schon, was ich meine.«
    Dühnfort nickte.
    »Jedenfalls, vor vier Wochen lag es nicht dort. Ärgerlich. Ich fühle mich damit einfach besser. Es ist komfortabel, sich immer und überall ein Taxi rufen zu können. Aber es war nicht aufzufinden. Ein paar Tage zuvor hatte ich einen Stadtbummel gemacht und in einem Lokal zu Mittag gegessen. Dort habe ich mit meiner Tochter telefoniert. Und danach war das Handy weg. Wie gesagt. Was ich aber erst Tage später bemerkt habe. Ich habe in dem Restaurant angerufen. Leider war es nicht abgegeben worden. Also bin ich in den Handyladen hier an der Ecke gegangen und habe mir ein neues gekauft. Was soll’s? Es ist sogar viel schicker. Ein Smartphone mit GPS . Wenn ich mal senil bin und verlorengehe, kann man mich so jederzeit ausfindig machen. Toll, nicht?«
    Die alte Dame gefiel ihm. »In welchem Lokal haben Sie das Handy denn liegenlassen?«
    »Im Trachtenvogl in der Reichenbachstraße. Kennen Sie das?«
    Natürlich kannte er es. Ein Szenelokal mit Hirschgeweihen und Kuckucksuhren an den Wänden und Plüschmöbeln der vergangenen Jahrzehnte eingerichtet. »Haben Sie mal versucht, Ihr Handy anzurufen, um herauszufinden, wo es abgeblieben ist?«
    »Auf die Idee bin ich nicht gekommen.« Verblüfft stellte sie die Teetasse ab. »Aber Sie haben das sicher gemacht?«
    »Es ist ausgeschaltet. Warum haben Sie es nicht sperren lassen?«
    »Das habe ich ja versucht. Aber dafür muss man ein Passwort wissen, und das habe ich vergessen und dann den Zettel nicht gefunden, auf dem ich es notiert hatte. Natürlich geht das auch mit Vorlage des Personalausweises. Ich hätte es längst erledigen sollen. Ich mache das gleich morgen.«
    »Mir wäre es ganz lieb, wenn Sie das nicht tun würden.«
    Erst stutzte sie, dann blitzten ihre Augen vergnügt. »Ach ja, stimmt. Das Handy spielt eine Rolle in Ihrer Ermittlung. Ein böser Bube hat es an sich genommen, und wenn er es wieder einschaltet, dann können Sie ihn orten und erwischen. Aber mein altes Handy hat kein GPS . Das klappt also nicht.«
    »Es gibt noch andere Möglichkeiten zur Handyortung.« Dühnfort drehte die leere Espressotasse zwischen den Händen. »Da ist etwas, das mich wundert. Der Mann, der Ihr Handy hat, schaltet es an und aus. Dafür braucht er die PIN .«
    »Na, die hat er doch. Ich habe die ständig vergessen. Also habe ich sie auf die Rückseite des Handys geklebt. Sehen Sie. So mache ich das.« Sie zog aus der Handtasche ihr neues Smartphone und reichte es ihm. Ein schmaler Streifen Papier war dort mit Tesafilm aufgeklebt.

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