Schuld währt ewig
Wand. »Sie glauben doch nicht, dass ich etwas mit diesen Morden zu tun habe?«
»Wir gehen jedem Hinweis nach.«
»Was für einen Hinweis gibt es denn auf mich?«
»Nicht speziell auf Sie. Subvento kreuzt allerdings immer wieder unsere Bahn. Natürlich sehen wir da genau hin.«
»Also nicht nur bei mir?«
»Wir überprüfen alle Mitarbeiter von Subvento.«
»Wir sind Helfer. Warum sollte einer von uns zum Mörder werden?«
Einen Augenblick überlegte Dühnfort, wie offen er sein sollte, und entschloss sich dann, seine Theorie darzulegen. »Wir gehen davon aus, dass der Täter jahrelang sein Rachebedürfnis kompensiert hat, indem er Gutes tat, und dann ist etwas geschehen, das den Deckel von diesem Topf gesprengt hat.«
»Und deswegen bringt er Menschen um, die ihm nichts getan haben? Die Logik verstehe ich nicht.«
»Wir haben Gründe für diese Annahme.«
Dühnfort betrachtete die Bilder an der Wand. Familienfotos. Vermutlich Languths Eltern. Er erkannte die Ähnlichkeit zum Vater. Languth beim Skifahren und Skaten, beim Gleitschirmfliegen und Fallschirmspringen. Daneben das Foto eines Teenagers. Languths Schwester oder vielleicht seine Tochter?
Dühnfort überlegte, wie weit er in seiner Offenheit gehen sollte. »Wir vermuten, dass der Täter jemanden durch einen Unfall verloren hat. Jemanden, der ihm sehr nahe stand.«
»Ach. Deshalb neulich die Fragen nach dem besonderen Grund für meine ehrenamtliche Arbeit.« Mit vor der Brust verschränkten Armen lehnte Languth an der Wand. Schutz? Abwehr? Ein Bollwerk jedenfalls. »Haben Sie sich auch schon mit Arno befasst?«
»Mit welchem Arno?«
»Arno Rodewald, Ulis Mann. Also, ihr geschiedener Mann.«
»Was ist mit ihm?«
»Als Schüler hatte er einen Unfall. Gut, das ist ewig her. Sicher elf oder zwölf Jahre.« Languth breitete die Arme aus, wie zu einer Entschuldigung. »Arno war in der zwölften Klasse Gymnasium und Besitzer einer Vespa, die er ein wenig getuned hatte. An einem Sommertag ist er mit seiner Freundin zur Eisdiele gefahren. Helme waren ziemlich uncool. Sie fuhren ohne. Es war nicht weit. Ein Autofahrer hat sie beim Abbiegen übersehen. Ulrike hatte einen Schutzengel. Eine offene Unterschenkelfraktur war alles. Aber Arno hat es schlimm erwischt. Schädelbruch. Monatelanger Krankenhausaufenthalt, dann Reha. Seither leidet er an Konzentrationsstörungen. Das Abi konnte er sich abschminken und damit den Traum vom Physikstudium an der TU . Sein Ziel war es immer, irgendwann in der Forschung zu arbeiten. Natürlich mit Doktortitel und Professur. Trotzdem hatte Arno mehr Glück als Verstand. Er hätte tot sein können. Er hat zwar niemanden bei dem Unfall verloren, aber er konnte seinen Lebenstraum in die Tonne treten.«
»Gab es einen Prozess?«
Languth nickte. »Der Unfallverursacher wurde wegen Körperverletzung verurteilt. Arno bekam eine Geldstrafe. Er war ja mitschuldig.«
Ein schlimmer Unfall. Doch wofür sollte Arno Rodewald sich rächen wollen? Er trug eine Mitschuld. Außerdem hatte es einen Prozess gegeben und eine Bestrafung des Unfallgegners. Das war nicht das, wonach Dühnfort suchte. Dennoch würde er die Unfallakten anfordern.
Wieder fiel sein Blick auf das Foto des Mädchens. »Ihre Schwester?«
Languth nickte. Ein Schatten legte sich über sein Gesicht. »Das letzte Foto von ihr. Eine Woche später war sie tot.«
Dühnfort wollte schon nachhaken. Doch Languth kam ihm zuvor. »Nein. Nicht, was Sie jetzt denken. Kein Unfall. Ein Blinddarmdurchbruch. Sepsis. Und das war es dann gewesen.«
»Ich würde Sie gerne als Verdächtigen ausschließen. Dafür brauche ich eine Speichelprobe von Ihnen. Sind Sie dazu bereit?«
Verblüfft sah Languth ihn an. »Sie haben eine DNA -Spur?«
»Natürlich.«
»Und keinen Treffer in Ihrer Datenbank. Toll. Und jetzt drehen Sie den Spieß um. Jetzt werden aus unschuldigen Bürgern potenzielle Täter und deren DNA erfasst und abgespeichert. Und dann ist man drin in der Kartei von Gewaltverbrechern. Ne. Nicht mit mir. Andersherum wird ein Schuh daraus. Sie müssen den Schuldigen finden und nicht ich beweisen, dass ich unschuldig bin.«
68
Auf dem Heimweg rief Gina an, um zu sagen, dass sie den Abend zu Hause verbrachte. »Meine Mutter hat morgen ein Vorstellungsgespräch. Das erste seit einem halben Jahr. Sie ist so aufgeregt wie vor ihrem ersten Rendezvous. Ich schau mal, ob ich sie ein bisschen erden kann.«
Kurz vor neun Uhr berat Dühnfort seine Wohnung. Sie war dunkel und kalt. Er
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