Schuld währt ewig
die nicht auch in den Unterlagen zu finden waren.
Dühnfort rief Frau Freude an und fragte, ob Languth in letzter Zeit bei ihr in der Wohnung gewesen war oder ob es eine Gelegenheit für ihn gegeben hatte, an das Handy zu gelangen. Beides schloss sie aus.
Was fehlte, waren ein Motiv oder Indizien, um Languth richtig in die Mangel zu nehmen.
Wie sollten sie weitermachen? Es klopfte kurz. Alois kam herein. »Ich habe mit Lydia van Gierten gesprochen. In Languths Umfeld gibt es keine traumatischen Unfälle. Sie hält ihn für eine Persönlichkeit mit narzisstischen Anteilen und einem Hang, andere zu manipulieren, aber nicht für gewalttätig. Er ist Gutmensch durch und durch. Was vielleicht daran liegt, dass sein Selbstwertgefühl ein paar Punkte mehr auf der Ich-bin-ein-toller-Kerl-Skala vertragen könnte. Als Retter in der Not unterwegs zu sein, damit kann er punkten. Deshalb war er früher Rettungsassistent. Mit Blaulicht und Signalhorn durch die Stadt zu düsen, hat ihm Macht und Status gegeben. Aber irgendwann hat er das nicht mehr gepackt.«
Schon beinahe acht Uhr. Eigentlich Zeit, nach Hause zu gehen. Doch Dühnfort fuhr zu Thorsten Languth. Im Haus brannte Licht. Musik drang nach draußen. Gedämpfte Beats. Auf dem Weg zur Tür warf er einen Blick durch das Garagenfenster. Kein Fahrzeug. Dafür allerlei Sportgerät. Kurz nachdem Dühnfort geklingelt hatte, wurde die Musik leiser, Schritte näherten sich. Languth öffnete. Die kurzen Haare verschwitzt. Das Gesicht gerötet. Der sehnige Körper steckte in Funktionsshirt und Trainingshose. Schweiß stand in feinen Perlen auf der Stirn. »Sie schon wieder. Was gibt es denn noch?«
»Ein paar Fragen. Reine Routine.«
»Ich bin mitten im Training.«
»Dauert nur fünf Minuten. Kann ich reinkommen?«
»Wenn es sein muss.« Languth trat zur Seite.
Das Esszimmer hatte sich seit Dühnforts letztem Besuch vollständig in eine Werkstatt für Sportgerät verwandelt. Zu den Mountainbikes hatten sich ein Rennrad und Skating-Roller für das Langlauftraining gesellt. Auf der Werkbank lag ein Snowboard, dessen Belag einer Ausbesserung bedurfte.
Languth ging ins Wohnzimmer und schaltete die Musikanlage aus. Auch hier hatte sich einiges verändert. Statt der Couchgarnitur stand vor dem Panoramafenster eine Multifunktions-Kraftstation mit Latissimus- und Curlstange und einem Bankdrückmodul.
Languth zog die Handschuhe aus, deren Fingerlinge nur knapp über die Knöchel reichten, und zog sich ein Sweatshirt über. »Also. Welche Fragen haben Sie noch?«
»Zuerst die nach Ihrem Auto. In der Garage steht keines.«
»Es ist in der Werkstatt. Wieder einmal.«
»Warum?«
Bevor Dühnfort eine Antwort bekam, griff Languth nach einer Dose mit einem Isodrink und leerte sie. Mit dem Handrücken wischte er sich über den Mund. »Die Hydraulik. Sie bockt ständig.«
»Was für ein Modell fahren Sie?«
»Einen uralten Citroën Xantia Break.«
»Kann ich die Papiere sehen?«
»Gut, dass ich die aus dem Handschuhfach genommen habe.« Languth verließ den Raum und kehrte kurz darauf mit den Wagenpapieren zurück. Ein Xantia Kombi, Baujahr 1998, nachtblau. Dühnfort notierte das Kennzeichen.
»Beeindruckend, was Sie alles an Sport treiben.«
»Ein wenig könnte Ihnen auch nicht schaden.« Languths Blick heftete sich auf Dühnforts Körpermitte.
»Gehen Sie auch in die Berge?«
»Skifahren? Tourengehen? Klettern?«
»Klettern.«
Ein Frotteetuch lag auf der Sessellehne. Languth wischte sich damit die Stirn trocken. »Das Klettern habe ich vor zwei Jahren aufgegeben. Meine Ex hatte Angst, dass ich abstürze. Mal sehen, ob ich wieder damit anfange.«
»Haben Sie die Ausrüstung noch?«
Ein Kopfschütteln folgte. »Die habe ich verkauft.«
»Von den Kletterseilen haben Sie also keines mehr?«
»Sag ich doch. Wollen Sie sich selbst davon überzeugen? Dann nur zu.«
Plötzlich war es da, das ungute Gefühl. Languth bot großzügig Einblick in Keller und Schränke, obwohl ihn Dühnforts Anwesenheit und Fragen sichtlich nervten. Das passte nicht zusammen. Natürlich nahm Dühnfort das Angebot an. Er ließ sich zuerst die Garage zeigen. Keine Kletterseile. Kein Gartenpavillon. Dann ging es weiter in den Keller. Waschküche, Heizungskeller, ein Hobbyraum, der wohl bis vor kurzem Fitnessraum gewesen war. Hanteln und Trainingsmatte lagen noch auf dem Boden.
Sie gingen wieder nach oben und blieben im Flur stehen. Languth lehnte sich neben einer Reihe gerahmter Fotografien an die
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