Schuld währt ewig
wenn man psychologische Kenntnisse hatte und das Opfer einem vertraute.
Thorsten. Ihm hatte sie vertraut, und er hatte dieses Vertrauen missbraucht. Für eine billige, schäbige Rache. Wenn Evelyn nicht so misstrauisch gewesen wäre, wäre sein Plan aufgegangen, sie zu zerstören. Weil sie ihn abgewiesen hatte! Deshalb sollte sie sich auf ewig schuldig fühlen, ins Gefängnis gehen. Für eine Tat büßen, die sie nicht begangen hatte!
Ihre Knie gaben nach. Sie musste sich setzen.
Und von dem hatte sie geglaubt, er sei ihr Freund! So ein Arschloch! Doch in all die Wut mischte sich auch Schmerz.
Wütend knallte sie den Laptop zu. Es klingelte an der Tür. Sanne öffnete. Der Postbote brachte das Päckchen mit dem Wölbungshobel, den sie vor einigen Tagen bestellt hatte. Sie quittierte den Empfang und wollte die Haustür schon schließen, als sie Niklas entdeckte. Er stand in seinem Garten, beinahe verborgen vom Kompostbehälter, und hob ein Loch aus. Nun stellte er den Spaten beiseite, bückte sich und nahm etwas auf. Ein graues Bündel. Ein Fellbündel.
Herr Kater!
70
Dühnfort folgte den Anweisungen des Navigationsgeräts und bog auf einen gekiesten Weg ein, der am Gut Paschkofen vorbei zu einer Handvoll kleiner Gebäude führte. Der Regen hatte nachgelassen. Die Wolken hingen tief, ein frostkalter Wind jagte sie über den Himmel.
Das letzte Haus dort hinten musste es sein. Er stoppte neben einem Golf mit Nürnberger Kennzeichen.
Auf dem Nachbargrundstück stritten sich ein Mann und eine Frau. Dühnfort klingelte. Nichts rührte sich. Der Streit nebenan verstummte. Die Frau sah zu ihm herüber. »Wollen Sie zu mir?«
Er hatte sie schon einmal gesehen. Vor Languths Haus. Dühnfort trat an den Gartenzaun. Der Mann, mit dem sie in das Wortgefecht verwickelt gewesen war, hielt eine Katze in den Armen. Der Kopf hing schlaff herunter. Vermutlich Genickbruch. »Sind Sie Frau Möbus?«
Ein taxierender Blick streifte ihn. »Ja.«
Eine zierliche Frau. Nicht im landläufigen Sinne schön, aber attraktiv. Dunkles, schulterlanges Haar, ein zu groß geratener Mund, ein wenig zu weit auseinanderstehende Augen und ein spitzes Kinn.
»Mein Name ist Dühnfort.« Er zog den Dienstausweis aus der Tasche und reichte ihn ihr. »Ich würde Sie gerne sprechen.«
»Mich? Weshalb?«
Der Mann ging in die Hocke und legte die Katze in das ausgehobene Loch.
»Es geht um zwei Anrufe, die Sie erhalten haben. Anonym, wie wir annehmen.«
»Woher wissen Sie das? Wird mein Telefon etwa abgehört?«
»Wir haben Verbindungsdaten eines Handys ausgewertet, das in unseren Ermittlungen eine Rolle spielt. Können wir das unter vier Augen besprechen?«
Einen Moment wirkte sie unentschlossen, sah zu der Grube, in der inzwischen die tote Katze lag, dann wieder zu Dühnfort. »Ja. Gut. Gehen wir rein.« Sie stieg über den niedrigen Holzzaun. Er folgte ihr zum Haus.
»Was ist mit der Katze passiert?«
Sie zog den Schlüssel aus der Tasche und sperrte auf. »Mit dem Kater. Jemand hat ihm das Genick gebrochen.« Sie presste die Lippen aufeinander. Eine Zornesfalte erschien an der Nasenwurzel.
»War das Ihr Kater?«
»Nein. Eigentlich nicht. Herr Kater hat niemandem gehört. Nur sich selbst. Er hat tot hier vor meiner Haustür gelegen.« Sie wies auf die Fußmatte. »Das sagt jedenfalls mein Nachbar, der ihn gefunden hat, während ich unterwegs war.«
»Sie glauben ihm nicht?«
Eine Sekunde zögerte sie. »Doch. Eigentlich schon.«
»Weshalb dann der Streit?«
»Weil er mir das nicht gesagt hätte. Er wollte Herrn Kater heimlich bestatten und mir die Wahrheit ersparen.« Sie wies auf die Tür. »Gehen wir rein?«
Er folgte ihr in ein ärmlich möbliertes Zimmer. Eine abgewetzte Couch, ein wackliger Tisch. Obstkisten als Regale. Über ein ausreichendes Einkommen schien Susanne Möbus nicht zu verfügen. Sie bot ihm einen Platz am Tisch an und setzte sich ihm gegenüber.
»Sie haben also ein Handy überprüft und festgestellt, dass ich zweimal angerufen wurde. Woher wissen Sie, dass das anonyme …« Plötzlich richtete sie sich auf. »Wem gehört es?«
»Einer alten Dame, der es gestohlen wurde. Sie sind nicht die Einzige, die solche Anrufe bekommen hat.«
»Wer denn noch?«
»Sagt Ihnen der Name Martina Oberdieck etwas?«
Ihr Teint wurde aschfahl. »Martina? Natürlich.«
»Woher kennen Sie sie?«
»Durch eine Selbsthilfegruppe, die mir ein Bekannter empfohlen hat.«
»Doch nicht Thorsten Languth?«
»Sie kennen
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