Schuld währt ewig
zwischenzeitlich nicht einen besorgt hatte. »Erinnern Sie sich an die Kletterausrüstung?«
»Natürlich. Er hat sie allerdings vor einiger Zeit verkauft.«
»Alles? Oder hat er ein Seil behalten?«
»Er hat den ganzen Plunder bei eBay versteigert.«
»War ein orangefarbenes Seil dabei?«
Ein ungeduldiges Schnauben klang durchs Telefon. »Orange. Rote. Grüne. Blaue. Weshalb wollen Sie das wissen? Sie denken doch nicht wirklich, dass Thorsten ein Mörder ist? Das ist lächerlich. Er hat zwar seine Macken, er ist eitel und selbstgefällig und kann mit Zurückweisungen nicht umgehen. Aber er ist kein Mörder.«
»Besitzt er eine Waffe?«
Ein helles, rollendes Lachen klang durch den Hörer. »Ganz sicher nicht. Thorsten ist Pazifist. Er hat aus Überzeugung den Wehrdienst verweigert. Wenn Sie dem eine Waffe in die Hand drücken, er wüsste nicht, wie er sie halten, geschweige denn bedienen sollte. Herr Dühnfort, lassen Sie es gut sein. Sie verrennen sich.«
»Eine letzte Frage noch: Der Tod seiner Schwester, wie geht er damit um?«
Ein Seufzer klang durch das Telefon. »Angemessen. Er geht angemessen damit um. Sabine war seine Zwillingsschwester. An ihrem Geburtstag und am Todestag besucht er das Grab und bringt Blumen. Er spricht nicht viel über sie. Das ist nach all den Jahren normal. Das war es dann?«
»Nicht ganz. Ein dunkler SUV spielt in unseren Ermittlungen eine Rolle …«
»Thorsten fährt einen uralten Kombi. Haben Sie das noch nicht gecheckt?«
»Mich interessiert, ob er sich ein solches Fahrzeug im Freundes- oder Bekanntenkreis ausgeliehen haben könnte.«
»Ein dunkler SUV ? Hm. Nein. Da fällt mir niemand ein.«
Dühnfort beendete das Gespräch. Die Pavoni war aufgeheizt. Er machte sich einen Espresso und holte aus der Schreibtischschublade etwas vom Schokoladennachschub, für den er inzwischen gesorgt hatte. Mit diesem Mittagessenersatz setzte er sich an den Schreibtisch.
Mit zwei Schlucken leerte er die Tasse, spürte dem bittersüßen Geschmack nach, brach eine Rippe Schokolade ab und aß dann doch die halbe Tafel.
Wieder fiel ihm Hilmer ein. Wenn er den Mund aufmachen würde … Herrgott! Die Ermittlungen würden innerhalb weniger Stunden zum Erfolg führen.
Dühnfort legte die angebrochene Tafel zurück und suchte Leyenfels auf.
Grau drang das Tageslicht durch die Fenster in das Büro des Staatsanwalts. Der Raum war überheizt, die Luft trocken und staubig. Neben dem Schreibtisch ließ eine Yuccapalme die Blätter hängen. Leyenfels sah auf, als Dühnfort eintrat. »Hallo Tino. Was gibt es?«
»Ich weiß, dass du gleich bedenklich den Kopf wiegen wirst. Aber ich weiß auch, dass Hilmer die Halterabfrage gemacht hat. Er muss sich mit den Zugangsdaten eines Kollegen eingeloggt haben. Ich brauche einen Beschluss zur Einsicht in die Halterabfragen aller Mitarbeiter der Zulassungsstelle.«
»Ach komm, Tino. Das hatten wir doch schon. Wie soll ich das begründen?«
»Mit einem Toten vielleicht? Voigt wurde erschossen, weil er den Fahrzeughalter ausfindig gemacht hat. Und zwar nicht über eine seiner zahlreichen Anzeigen. Wir haben das geprüft. Es bleibt nur diese Möglichkeit. Voigt muss die Daten aus der Zulassungsstelle bekommen haben. Und zwar von Hilmer. Warum sollte der sonst das Maul nicht aufmachen?«
»Das Bundesdatenschutzgesetz ist nicht auf meinem Mist …«, begann Leyenfels.
Dühnforts Schultern verspannten sich. Er versuchte ruhig zu bleiben, doch es gelang ihm nicht. »Jetzt vergiss den Datenschutz! Herrgott! Wir haben vier Tote! Und ein potenzielles Opfer. Vielleicht gibt es noch mehr. Vielleicht macht er weiter. Schon heute. Oder morgen. Und das willst du zulassen? Wenn es dazu kommt, dann mache ich das öffentlich. Ich lass mein Team nicht von der Presse grillen, weil du ein feiger Schisser bist. Willst du wirklich noch eine weitere Leiche auf Weidenbachs Tisch, bevor wir genau hinsehen dürfen? Ja? Ist es das, was du brauchst, um endlich den Arsch hochzukriegen?«
Leyenfels’ Brauen stiegen in die Höhe, seine Augen weiteten sich ungläubig. »Wenn du den Angriff auf dich nicht packst, dann geh zum Psychologischen Dienst.«
Dühnfort riss sich zusammen, schluckte eine Antwort herunter und blickte Leyenfels unverwandt in die Augen.
»Bekomme ich nun den Beschluss, oder willst du warten, bis uns die Medien in der Luft zerreißen?« Dieses Argument hatte schon häufiger gezogen. Nichts hasste Leyenfels mehr als schlechte Presse. Einen Augenblick wog er das
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