Schuld währt ewig
Schaufenster.
Etwas peppigere Kleidung würde auch Uli nicht schaden, dachte Sanne. Wie meistens trug sie Jeans, dazu einen Rollkragenpulli und eine Steppjacke, die bei ihrer kräftigen Figur unvorteilhaft wirkte. »Ich wollte grad eine Kleinigkeit essen. Wollen wir uns zusammentun?«
»Warum nicht? Ich wollte zu Aran gehen. Kennst du das?«
Sanne kannte es nicht.
»Frisches Holzofenbrot, leckere Aufstriche, alles bio und zu erschwinglichen Preisen. Danach einen Kaffee? Es ist gleich da vorne.« Uli wies Richtung Hypo-Kunsthalle.
»Klingt gut.«
Kurz darauf betraten sie das kleine Lokal. Es roch nach frischem Brot und Gewürzen, nach Kaffee und Kräutern, und war gut besucht. Auf einer Bank an einem schlichten Holztisch wurden zwei Plätze frei. »Reserviere die mal für uns«, sagte Uli. »Selbstbedienung. Ich bringe dir was mit. Was magst du?«
Sanne studierte das Angebot, das mit Kreide auf einer Tafel angeschrieben war, und entschied sich für ein Bauernbrot mit Steinpilzfrischkäse. An der Theke herrschte großer Andrang. Sanne verteidigte den freien Platz für Uli, die nach ein paar Minuten zurückkehrte und zwei Teller auf den Tisch stellte. Sannes Brot schmeckte köstlich. Mit vollem Mund fragte sie, wie es Uli ginge.
»Nicht so gut. Das kannst du dir ja denken. Die Scheidung ist durch.«
Hoppla. Ganz vergessen. Die Scheidung war ein heikles Thema. Ein wunder Punkt in Ulis Leben. Arno hatte sie vor einem Jahr verlassen. Nach zwölf Jahren als Paar und nach zehnjähriger Ehe. Die beiden hatten sehr jung geheiratet. Mit Anfang zwanzig. Sanne hatte den Grund für die Trennung nicht so ganz mitbekommen, denn Arno hatte Uli nicht wegen einer anderen verlassen. Vermutlich war nach zehn Jahren die Luft raus und die beiden einfach zu jung gewesen, als sie geheiratet hatten. Doch für Uli war Arno die große Liebe, der Mann ihres Lebens, und sie hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, dass er zu ihr zurückkehren würde. Und nun war die Scheidung durch.
»Sieh es positiv: Jetzt ist das überstanden. Du kannst in die Zukunft blicken und bist frei für eine neue Beziehung.« Das sagt die Richtige, als ob ich da kompetent wäre, dachte Sanne in einem Anfall von Sarkasmus.
Uli starrte auf ihren Teller. »Denkst du wirklich, das ist so einfach? Ja? Aber nicht, wenn man zusammengehört, wie Arno und ich. Vom ersten Moment an haben wir das gewusst. Auch wenn das jetzt kitschig klingt. Klar, Arno sieht das momentan anders. Neuerdings wechselt er seine Freundinnen wie die Socken. Wenigstens ist es nie etwas Festes. Er wird zu mir zurückkommen. Irgendwann.«
Sanne hatte eher das Gefühl, dass Uli sich da etwas vormachte.
Noch immer starrte sie auf den Teller. »Die Aktuelle trägt natürlich Size zero und ist zwei Köpfe kleiner als ich. Eine echte Elfe, die er beschützen kann. Bei mir gab es nie was zu beschützen. Ich war immer nur …« Uli biss sich auf die Lippe, und Sanne fragte sich, was Uli hatte sagen wollen.
»Jetzt mach dich doch nicht runter. Du bist eine liebenswerte Frau, und wir können nicht alle wie Supermodels aussehen. Genau genommen gibt es vielleicht acht oder neun weltweit, die das tun.« Sanne versuchte die Situation zu entspannen und Uli ein Lächeln zu entlocken. »Oder möchtest du vielleicht mit diesem Klimperwimper-ich-bin-ein-hilfloses-Weibchen-Blick durch dein Leben stöckeln?«
Uli schnaubte. »Ganz sicher nicht. Man muss ja nicht auf gehirnamputiert machen, wenn man attraktiv ist. Aber schau mich doch an. Plump und hässlich. So eine will keiner. Und eine OP kann ich knicken.«
Eine OP ? Natürlich wusste Sanne, dass Uli mit ihrem Aussehen nicht glücklich war. Welche Frau war schon zufrieden damit? »Wolltest du eine Schönheits- OP machen lassen?«
Uli winkte ab. »Ich kann es mir eh nicht leisten. Lass uns über etwas anderes reden. Wie geht es denn dir? Kommst du inzwischen besser mit Ludwigs Tod klar?«
Das war nun nicht das Thema, über das Sanne sprechen wollte. Obwohl Uli nicht zu denen gehörte, die ihr zu einer Therapie rieten, wie Thorsten und Lydia. Wenn erst der Jahrestag überstanden war, würde es ihr bessergehen.
»So langsam komme ich darüber hinweg«, flunkerte sie. »Momentan habe ich ein anderes Problem. Frederick will seine Werkstatt verkaufen. Er meint, ich könnte sie gemeinsam mit einem Geigenbauer übernehmen.« So, damit waren sie bei neuem Gesprächsstoff angelangt. Natürlich riet Uli ihr zu, in die Stadt zurückzukehren und die Werkstatt zu
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