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Schuld währt ewig

Schuld währt ewig

Titel: Schuld währt ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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schlank, Porzellanteint. Ein prächtiger Busen wölbte sich unter einem schwarzen Pullover mit V-Ausschnitt. Kaschmir, dachte Alois unwillkürlich. Mit so etwas kannte er sich aus. Dunkle Jeans, die auf der Hüfte saßen. Atemberaubend sexy die Frau.
    »Sie sind der Polizist, der vorhin angerufen hat?«
    Es klang nicht sehr freundlich und ein wenig verwaschen. Irgendwie nach zwei Gläsern Prosecco. Was Frauen an Prosecco fanden, verstand Alois nicht. Nach beinahe nichts schmeckendes Bubbelwasser mit Alkohol. Er stellte sich vor. Sie ließ sich den Ausweis zeigen.
    »Sie haben keine Ahnung, was diese Pressefuzzis sich damals alles haben einfallen lassen, um ins Haus und an Bilder von Lena zu kommen.« Sie bat ihn herein, und er folgte ihr in die erste Etage, was er seltsam fand. Das Wohnzimmer befand sich doch sicher unten.
    Erst als er oben angekommen war, verstand er. Lenas Eltern lebten getrennt im selben Haus.
    Ein größeres Zimmer, zwei kleinere. Ein Bad. Das teilte sie sich wohl mit ihrem Mann, ebenso wie die Küche unten. So zu leben. Schrecklich. Der klare Schnitt wäre besser. Man trennte sich. Einer zog aus. Und gut war es.
    Sie bat ihn in den Raum, den sie sich als Wohnzimmer eingerichtet hatte und der früher sicher das Schlafzimmer gewesen war. Wie lange die beiden wohl schon so lebten?
    Auf dem Couchtisch stand ein Glas Weißwein. Es war beinahe leer. Der Fernseher lief tonlos. Die Tagesschau begann. Mit einem Finger strich sich Franziska Meinhardt über die dünne Haut unter dem Auge. »Wenn Sie gekommen sind, um mir mitzuteilen, dass Flade tot ist … Ich lese Zeitung, weiß es also schon. Und falls Sie denken, ich war das oder Martin, dann liegen Sie damit falsch.« Ihre Stimme klang nicht aufgebracht oder aggressiv, sondern müde.
    »Na ja, ich bin Ermittler, und die grundsätzliche Überlegung liegt auf der Hand. Also, rein theoretisch.«
    »Natürlich.« Sie wies auf den Sessel. Er nahm Platz, sie setzte sich auf das Sofa. »Als Flade überfahren wurde, war ich in der Arbeit. Dafür gibt es etliche Zeugen.«
    Franziska Meinhardt arbeitete als MTA in einer neurologischen Gemeinschaftspraxis. Alois zog sein iPhone hervor und speicherte die Adresse. »Und mein Mann war in der Apotheke. Wir haben eine Apotheke«, fügte sie hinzu, »aber dort arbeite ich nicht mehr.«
    Auch diese Anschrift notierte Alois. »Dass der Mann nun tot ist, der Ihre Tochter überfahren hat, wird Sie doch sicher …« Alois suchte nach dem richtigen Wort. Freuen konnte er ja schlecht sagen.
    »Freuen, meinen Sie? Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Es freut mich nicht. Ich finde es tragisch, schrecklich. Noch dazu, wo seine Frau schwanger ist. Das stand jedenfalls in der Zeitung. Furchtbar. Ich will gar nicht wissen, was sie nun durchmacht.« Sie griff nach dem Weinglas, trank den Rest in einem Zug und drehte das leere Glas in ihren Händen.
    »Haben Sie nie ein Rachebedürfnis gehabt?«
    Sie sah auf, blickte ihm direkt in die Augen. »An wem soll ich mich denn rächen? Ich bin doch selbst schuld. Ich bin schuld. Ich hätte Lenas Hand fester halten müssen. Sie hat sich losgerissen. Wollte auf die andere Straßenseite, und ich weiß bis heute nicht, weshalb. Warum? Was hat sie da gesehen? Da war nichts. Nichts. Gar nichts.« Sie stützte den Kopf in die Hände, massierte die Kopfhaut mit allen zehn Fingern, als könnte sie so ihr Gehirn dazu bringen, eine Antwort zu finden. »Wenn ich sie doch nur fester gehalten hätte.«
    Er hörte die Verzweiflung in ihrer Stimme, verstand, dass sie sich seit Jahren mit diesen Fragen quälte, und glaubte nicht eine Sekunde, dass sie in den Mordfall Flade verwickelt war.
    Von unten klang das Knirschen eines Schlüssels herauf, dann das Schlagen der Haustür und Stimmen. Der tiefe Bariton eines Mannes und das helle Lachen einer Frau.
    »Ihr Mann?«
    Franziska Meinhardt ließ die Hände sinken und starrte weiter auf den Boden. »Und sein aktuelles Gspusi.«
    O Gott, was für ein Leben! Weshalb machte sie das mit und ließ sich derart demütigen? War das ihre Form von Strafe? Büßte sie so für ihre angebliche Schuld? Plötzlich tat sie ihm leid. »Ihr Mann hat damals Flade die Schuld gegeben und daraus keinen Hehl gemacht. Als das Ermittlungsverfahren eingestellt wurde … Wie hat er das aufgenommen?«
    »Nicht gut. Er braucht jemanden, der schuldig ist.« Sie erzählte von den Wochen nach dem Unfall, wie sie langsam aus ihrer Schockstarre erwacht waren, wie Martin Lenas Tod nicht

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