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Schuld währt ewig

Schuld währt ewig

Titel: Schuld währt ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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sah dabei Sanne an. »Es ist besser, wenn du gehst.«

33
    Dühnfort brachte die Postkartenfragmente zu Buchholz in die KTU und rief dann von seinem Büro aus bei Gericht an, um sich zu erkundigen, ob Schülke im Haus war. Er war. Dühnfort kündigte seinen Besuch an und machte sich auf den Weg.
    Der Mantel fühlte sich noch immer klamm an. Dühnfort quälte sich durch den dichten Innenstadtverkehr und verfluchte seine Entscheidung, das Auto statt der U-Bahn zu nehmen.
    Nachdem er die Sicherheitskontrolle passiert hatte, betrat er das Gerichtsgebäude aus Beton, Stahl und Glas, das seine Fassade im Sommer hinter dicht belaubten Bäumen verbarg. Doch dieser graue Novembertag präsentierte es in all seiner Scheußlichkeit.
    Nach einer Fahrt im Lift und einem Gang über scheinbar endlose Flure erreichte Dühnfort das Büro des Richters.
    Wie aus Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett. Das hatte Gina einmal über Schülke gesagt. Ein Meister der Selbstkontrolle. Man sah ihm selten eine Gefühlsregung an. Wie imprägniert. An dem scheint alles spurlos abzugleiten. Wenn Schülke dann allerdings in seiner Zeit als Staatsanwalt plädiert hatte oder heute als Richter Urteile verkündete, merkte man, welche Leidenschaft in ihm waltete, welches Streben nach Strafe und Gerechtigkeit.
    Als Dühnfort Schülkes Büro betrat, stand dieser mit einigen Akten in der Hand vor einem Regal. Mit einem Nicken begrüßte er ihn. Groß, schlank, breite Schultern. Anthrazitfarbener Anzug, dezente Krawatte zum weißen Hemd. Eher ein erfolgreicher Geschäftsmann als Richter. Dieser Eindruck wurde von hellen Augen hinter einer randlosen Brille verstärkt.
    »Setzen Sie sich doch.« Schülke wies mit unverbindlicher Freundlichkeit auf einen Stuhl, legte die Akten im Regal ab und kehrte an den Schreibtisch zurück, der das Zimmer teilte wie früher die Mauer Berlin. Die Rollen waren klar. Exekutive und Judikative. Hund und Herr. »Was führt Sie zu mir?«
    Dühnfort schlüpfte aus dem Mantel und legte ihn über die Stuhllehne, ehe er sich setzte. »Jens Flade. Sie hatten vor einigen Jahren mit ihm zu tun.«
    »Fünf Jahre, um genau zu sein. Ein Unfall mit Todesfolge, und nun starb er selbst bei einem Unfall. Nicht schön.« Schülke legte die Hände verschränkt vor sich auf den Tisch. Eine offene und zugleich abwehrende Geste. Bis hierher und nicht weiter.
    »Sie haben sich also schon informiert.«
    »Was heißt informiert? Ich lese Zeitung und habe ein gutes Gedächtnis.«
    »Allerdings war Flades Unfall kein Unfall. Mord oder Totschlag. Ich tippe auf Mord.«
    Ein kaum wahrnehmbares Lächeln erschien auf Schülkes Gesicht und verschwand sofort wieder. »Mord? Ist das nicht ein wenig zu hoch aufgehängt? Weshalb Leyenfels das an Sie gegeben hat, ist mir unverständlich. Unfallflucht wäre wohl zutreffender.«
    »Inzwischen haben wir einen zweiten Fall. Martina Oberdieck. Diesen Namen müssten Sie auch kennen.«
    »Die junge Frau, die am Unterföhringer See tot aufgefunden wurde. Natürlich sagt mir der Name etwas.« Schülke stützte die Ellenbogen auf und legte die Handflächen aneinander. »So langsam beginne ich zu verstehen, weshalb Sie hier sind. Sie sehen einen Zusammenhang zwischen den beiden Todesfällen und haben mich als Bindeglied entdeckt.«
    »Das Ermittlungsverfahren gegen Flade haben Sie nur widerwillig eingestellt, nachdem Ihr Vorgesetzter Druck gemacht hat.«
    »Das ist richtig. Damals war ich jung und vielleicht ein wenig hitzig. Vermutlich war die Einstellung gerechtfertigt. Es gab allerdings unklare Punkte. Ob Flade wirklich nichts getrunken hatte, steht in den Sternen. Die Blutprobe wurde reichlich spät genommen. Und auch die Tatsache, dass mein Vorgesetzter und Flades Vater sich kannten, hätte man nicht außer Acht lassen sollen.« In einer knappen Geste kehrte Schülke die Handflächen nach außen. Sei es drum, schien er damit sagen zu wollen.
    »Gab es im Fall Martina Oberdieck ähnliche Unklarheiten?«
    Der Blick aus Schülkes hellen Augen heftete sich an ihn. »Lieber Herr Dühnfort. Nun kennen wir uns schon einige Jahre. Ich weiß also, dass Sie sich diese Frage selbst beantworten können. Sicher haben Sie mit den Eltern gesprochen. Sie wissen also, dass die Existenz des LKW , der den Unfall verursacht haben soll, zweifelhaft ist.«
    Ein wirklich sehr präzises Gedächtnis, dachte Dühnfort. Konnte man sich nach so langer Zeit tatsächlich noch so gut erinnern? »Meines Wissens gab es einen Zeugen. Einen

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