Schuld währt ewig
mit Helmbichler nicht mehr Gewicht zu geben, als ihr zustand. »Bis auf diese Provokation war er umgänglich. Er war bei seinem Sozialarbeiter. Das ist doch ein gutes Zeichen. Er will sich integrieren.«
»Hm? Ich weiß nicht. Mir schmeckt das nicht. Helmbichler war zur selben Zeit im Gericht wie du. Meinst du nicht, dass er dich observiert und auscheckt, wo er am besten zuschlagen kann? Du bist doch der, der nicht an Zufälle glaubt.«
»Wenn er mich angreifen wollte, hätte er eine Waffe dabeigehabt.«
»Und mit ins Gericht geschleppt? Echt! Tino!« Sie verdrehte die Augen und runzelte die Stirn. »Er muss dir vom Präsidium aus gefolgt sein.«
»Dafür hätte er ein Auto gebraucht. Er war aber zu Fuß unterwegs.«
»Woher weißt du das?«
»Weil er zur U-Bahn gegangen ist.«
»Vielleicht, um dich zu täuschen?«
Sie steigerte sich in eine unsinnige Angst hinein. Helmbichler war ihm nicht gefolgt und war auch nicht auf eine Konfrontation aus gewesen. Eine Herausforderung, und das war es gewesen. Mit beiden Händen umfasste Dühnfort Ginas kühle Finger und lächelte. »Glaubst du nicht, dass mir eine Observierung auffallen würde? Helmbichler ist nicht James Bond, und ich bin nicht Inspektor Clouseau. Oder?«
Damit entlockte er ihr ein widerstrebendes Lächeln.
»Ich verstehe ja, dass du dir Sorgen machst. Ganz unnötig. Außerdem weiß ich, wie man sich zur Wehr setzt.«
»Hoffentlich.« Die Sorgenfalte verschwand. Das freche Lächeln erschien, allerdings nur halb. »Notfalls borgst du dir von Alois ein paar ferngesteuerte Projektile.«
»Ob er die mit mir teilt?« Er zwinkerte ihr zu, beugte sich über den Tisch und gab ihr einen Kuss.
Nach dem Essen setzten sie sich mit einem Glas Wein aufs Sofa. Gina fragte, wie das Gespräch mit Schülke verlaufen war, und er erzählte ihr davon, auch von seiner Einschätzung, dass Schülke nicht ihr Mann war. Kein richtiges Motiv, SUV ohne Bullenfänger. Das Alibi für den Mord an Flade würde sich vermutlich bestätigen. Der Rest war Bauchgefühl. Dennoch würden sie ihn überprüfen.
Gina zog die Beine an und kuschelte sich an ihn. Die Dunkelheit spannte sich wie ein schwarzes Tuch vor den Fenstern. Der Wind fegte durch die Bäume auf dem Friedhof. Im Haus wurde eine Tür geschlagen, und in der Wohnung unter ihnen lief der Fernseher zu laut.
In die Stille hinein sagte Gina, dass Thomas Wilzoch sie angesprochen hatte. Er leitete die Abteilung Altfälle. »Er hat eine Stelle frei und will mich abwerben.«
Dühnfort war erleichtert. Von selbst ergab sich eine Lösung des Problems. Kein Versteckspiel mehr. Als Gina schwieg, fragte er nach. »Reizt dich das nicht?«
Sie zog eine Schnute. »Ich weiß nicht. Einerseits schon. Mit frischem Blick an ungelöste Fälle heranzugehen, und das mit modernster Technik im Rücken … Das hätte schon was. Andererseits … In Staub und Akten wühlen war noch nie so mein Ding. Ich überlege es mir. Außerdem hat Moritz mir erzählt, dass Sandra nach Frankfurt geht. Ihr Mann wird versetzt, und sie geht mit. Moritz hat vorsichtig angeklopft, ob ich eventuell die Stelle übernehmen will.«
Das war ungewöhnlich. Ein MK -Leiter warb dem anderen keine Mitarbeiter ab. Für dieses Angebot konnte es nur einen Grund geben. »Hat Moritz eine Andeutung uns betreffend gemacht?«
»Eigentlich nicht. Nicht direkt. Trotzdem glaube ich, dass er eine Vermutung hat, dass zwischen uns etwas läuft.«
Ein wenig zuckte Dühnfort zusammen. Etwas läuft. Mit diesen Worten hätte er die Beziehung nicht beschrieben. Die Gerüchteküche fing also an zu köcheln. Es war allerhöchste Zeit, offen mit ihrer Beziehung umzugehen. »Zwei Angebote. Das ist doch wunderbar.«
Sie verzog den Mund. »Ich weiß nicht. Moritz ist schon okay …« Ein ratloses Schulterzucken folgte. »Wie du siehst, bin auch ich nicht so scharf auf Veränderungen.«
Nicht scharf auf Veränderungen? Sie wusste doch, dass die berufliche Trennung unvermeidbar war. Zwei reizvolle Angebote. Warum zierte sie sich? Er griff nach dem Weinglas.
Gina lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Er mochte diesen kaum wahrnehmbaren Duft nach Äpfeln, der an manchen Tagen von ihr ausging. Nun nahm er ihn wahr, und der Ärger verflog im Bruchteil einer Sekunde.
Sie schob eine Haarsträhne hinter das Ohr. »Wie gesagt, Veränderungen sind nicht so mein Ding. Das Angebot, mit dir zusammenzuziehen, war also die reinste Liebeserklärung. Das wollte ich nur mal sagen. Könnte ja sein, dass es dir
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