Schuld war nur die Badewanne
eine Tasse Tee auf, schaukelte diese ins Wohnzimmer und setzte mich in meinen Lieblingssessel. »Ihr Männer habt es gut«, teilte ich meinem Ehemann mit, der mit einem Auge in die Illustrierte auf dem Tisch schielte und mit dem anderen eine nur mit durchsichtigem Négligé bekleidete Dame auf dem Bildschirm verfolgte. »Was guckst du denn da?«
»Keine Ahnung, aber die Kleine sieht wirklich schnuckelig aus.«
Na ja, mit Konfektionsgröße 36 und noch weniger Lebensjahren konnte ich natürlich nicht konkurrieren. »Das Leben ist ungerecht«, philosophierte ich halblaut. »Ihr braucht bloß einen dunklen Anzug nebst passendem Hemd, und kein Mensch kann sehen, ob das gute Stück acht Jahre oder erst acht Tage alt ist«, nahm ich den Faden wieder auf, »bei uns Frauen geht das nicht. Soweit ich mich erinnere, trug man 1988 großgeblümt, in diesem Jahr ist aber Glitzerndes angesagt oder nabelfrei. Was wäre dir denn lieber?«
»Nabelfrei natürlich!«, sagte mein Mann sofort. »Die hat doch eine tolle Figur!«
»Ich rede nicht von diesem Fernsehpüppchen, sondern von mir!«
Völlig entgeistert sah er mich an. »Du willst dir was kaufen, wo der Bauchnabel zu sehen ist?«
Von meinem Monolog hatte er nur die Hälfte mitgekriegt, und dann auch noch die falsche, aber zumindest schenkte er mir endlich seine Aufmerksamkeit. »Ich will dir ja nicht vorschreiben, was du anziehen sollst, aber findest du nabelfrei nicht etwas gewagt?«
»Wieso? Eben hat’s dir doch noch gefallen.«
»Na gut, am Strand vielleicht oder meinethalben zu Hause im Garten …«
»Ich brauche kein Strandkleid, ich brauche etwas für die Hochzeit.«
»Mit Löchern vorne drin?«, schrie er entsetzt.
Ich setzte ein mokantes Lächeln auf. »Wären sie dir hinten herum lieber?«
Weshalb, um alles in der Welt, war ich nicht schon früher darauf gekommen? Plötzlich hörte mein Mann mir nicht nur zu, nein, er war sogar unaufgefordert bereit, gleich morgen mitzukommen und mir bei der Auswahl eines passenden Outfits behilflich zu sein. So viel Entgegenkommen wollte ich aber gar nicht! Spätestens nach der vierten Anprobe findet er nämlich alles todschick, was ich gerade anhabe, nach der sechsten guckt er schon gar nicht mehr hin, und wenn ich dann die nächste Boutique ansteuere, geht er Kaffee trinken. »Weißt du was«, schlug ich ihm vor, »notfalls kann ich immer noch das Schwiegermutterkleid anziehen, das ich mir seinerzeit zu Saschas Hochzeit gekauft habe.«
Damit war er sofort einverstanden, denn in diesem Jackenkleid war ich mir vorgekommen wie meine eigene Großmutter. Die Zwillinge hatten es damals allerdings sehr passend gefunden, weil ich darin so richtig seriös ausgesehen hätte und die Engländer doch alle furchtbar konservativ seien. Allerdings hatte Rolf keine Ahnung, dass ich das gute Stück längst in der Kleiderstube vom Roten Kreuz abgeliefert hatte. Vielleicht zu voreilig, denn jetzt gehörte ich ja altersmäßig zu den Senioren und war mehr oder weniger verpflichtet, langweilige Jackenkleider zu tragen. Man braucht sich doch nur mal in einem ganz normalen Kaufhaus umzusehen oder eine Verkäuferin zu fragen, wo man denn etwas Festliches findet. Da wird man entweder erst zur Abendgarderobe geschickt, also zu Schwarz mit Pailletten am Hals und stäbchenverstärkter Büste, oder man landet in der Abteilung Zweigeteiltes. »Hier, gnä’ Frau, hätte ich ein ganz entzückendes Jackenkleid, wie für Sie gemacht!«
Abgesehen davon, dass es zwei Nummern zu groß ist, was jeder normale Mensch auf den ersten Blick sehen kann, besteht das entzückende Teil aus grauer Seide mit Edelweißstickerei am Saum und kleinen Strassknöpfen auf den Revers. »Dazu gehört natürlich noch eine festliche Bluse«, versichert die Verkäuferin und hat auch schon was Passendes in Lindgrün zur Hand. Die Rüschen, aus denen der Kopf wie aus einer Blumentopfmanschette ragt, reichen bis zur Unterlippe, die Ärmel sind viel zu lang, aber »das fällt unter der Jacke gar nicht auf«, meint die Verkäuferin und zupft so lange herum, bis der Knopf abspringt. »Das lasse ich natürlich sofort in Ordnung bringen«, sagt die Gute, greift zur Bluse und verschwindet. Genau das ist der Zeitpunkt, an dem man das Gleiche tun sollte.
Nein, diesmal würde ich ganz allein losziehen und mir etwas aussuchen – ohne Ehemann und erst recht ohne Töchter. Allenfalls mit Steffi, die offenbar als Einzige begreift, dass ich mich für den gängigen Oma-Look einfach noch ein
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