Schuld war nur die Badewanne
Ding im nächsten Frühling sofort umhängen wird, und ebenso regelmäßig ist davon nicht mehr die Rede, sobald es wieder warm wird.
Den ersten Winter überlebt das Grünzeug (abwechselnd Cissus, Philodendron, Dieffenbachia und was es sonst so an dekorativem Gemüse gibt) gerade noch, fängt jedoch an zu kränkeln, und irgendwann zwischen Herbst und Weihnachten ist meistens was Neues fällig. Natürlich könnte man den Standplatz wechseln oder sich auf weniger sensible Fensterpflanzen beschränken, aber Ersteres geht nicht, weil es keinen anderen gibt, und gegen die Azalee, umrahmt von Begonie und Zimmerhafer, gekrönt von den Zipfeln der Häkelgardine, habe ich nun mal was!
Steffi war gerade da gewesen, als ich die kläglichen Überreste des Cissus auf Biotonnengröße zerschnippelte, und wenige Tage später hielt ein grüner Lieferwagen vor der Tür, aus dem Lucky etwas Langes auslud.
»Schönen Gruß von Hannes, und der hier geht bestimmt nicht ein!«, sagte er, lehnte das Lange an die Hausmauer, stellte einen größeren Terrakottatopf nebst einem Sack Seramis daneben und machte Anstalten, wieder in seinen Wagen zu klettern.
»Halt! Hiergeblieben!«, brüllte ich los. »Ich habe nichts bestellt! Was ist da überhaupt drin?«
Das Lange war nämlich mit einer Art Sackleinwand verhüllt und zugeschnürt, und es wird ja immer davor gewarnt, die Katze im Sack zu kaufen.
Lucky grinste. »Was soll da schon drin sein?«
»Mit Sicherheit kein Bechstein-Flügel«, bestätigte ich, »aber könnten Sie mir das Ding nicht mal reinbringen und beim Auswickeln mithelfen? Sie kriegen auch eine Tasse Kaffee und selbstgebackenen Kuchen.«
Das half! Mit einer Schweinshaxe hätte ich Lucky nicht ködern können, aber Süßem kann er nicht widerstehen. Er gehört übrigens auch zur Firma und ist für den Außendienst zuständig. Natürlich heißt er nicht Lucky, doch seinen richtigen Namen kann kein Mensch aussprechen. Der fängt mit Lu an und endet mit -rszky; in der Mitte kommen aber noch drei zungenbrechende Silben. Geboren wurde Lucky in Dortmund, was den Schluss nahelegt, dass seine Vorfahren zu jenen osteuropäischen Einwanderern gehört hatten, die im vergangenen Jahrhundert von den Zechenbesitzern angeworben worden waren.
Nachdem das Lange aus seinem Kokon geschält worden war, entpuppte es sich als fast zwei Meter hoher Bambusbaum, dessen Zweige erst einmal auseinandergebogen werden mussten. Der Stamm und die Äste sind »echt«, und diesem Umstand verdankt das Gewächs sein natürliches Aussehen. Als es endlich im Blumentopf stand, den wir erst mit einigen soliden Feldsteinen beschwert und dann mit diesen kleinen rotbraunen Kügelchen gefüllt hatten, war der Baum wirklich nicht mehr von seinen lebenden Artgenossen zu unterscheiden, zumal Katja später noch zwei Blätter abrupfte und sie auf den Topfrand legte, als seien sie herabgefallen. Das endgültige »Echtheitszertifikat« stellte jedoch Frau Ranitz aus: Gerade noch rechtzeitig konnte ich sie daran hindern, diesem Prachtstück mit der gefüllten Gießkanne zu Leibe zu rücken. Wasser ist nun mal das Einzige, was mein Bambus nicht verträgt!
Jetzt bin ich schon wieder meilenweit vom eigentlichen Thema abgekommen! Das ist bereits in der Schule immer mein Problem gewesen, wenn ich zum Beispiel bei dem seinerzeit so beliebten Aufsatzthema »Was wollte uns Lessing sagen, als er …« auch brav zwei Seiten lang die Skrupel des Majors von Tellheim nachzuvollziehen versuchte und plötzlich bei den sanitären Verhältnissen des 18 . Jahrhunderts angekommen war, weil die mich viel mehr interessiert hatten.
Bleiben wir also lieber beim Einkaufsbummel! Im ersten Geschäft und gleich nach der Besichtigung mehrerer Blazer gab Steffi zu, dass sie den neulich gekauften Rock entsetzlich fände, die Bluse habe ihr auch nicht so richtig gefallen, und eigentlich habe sie die Sachen nur deshalb genommen, damit Katja endlich Ruhe gäbe. »Ich habe mich darin überhaupt nicht wohl gefühlt.«
»Hast du denn keine eigene Meinung?«
»Du weißt doch, wie überzeugend Katja sein kann! Und hässlich war’s ja nicht, was sie da rausgepickt hat, sie selbst würde blendend darin aussehen, nur ich bin mir die ganze Zeit irgendwie verkleidet vorgekommen. Warum kann ich denn nicht einen Hosenanzug nehmen oder wenigstens eine schicke Kombination?«
Eben! Warum nicht? Schließlich war sie meine Tochter und offenbar erblich belastet.
Im wievielten Geschäft wir endlich etwas fanden, das
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