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Schuld war nur die Badewanne

Schuld war nur die Badewanne

Titel: Schuld war nur die Badewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Gegenwart jemanden am Telefon mit »Herr Graf« anredete, wurde ich hinterher sofort getadelt. »Nur Untergebene sprechen ein Mitglied des Adels mit seinem Titel an. Auch wenn du nicht gleichgestellt bist, so ist ein simples ›Graf Sowieso‹ absolut korrekt.« (Sie hat nie erfahren, dass ich mit dem keineswegs blaublütigen Inhaber der Autowerkstatt telefoniert hatte, der schlicht und einfach Erwin Graf geheißen hatte.)
    Als absolut unentschuldbar galten für Tante Lotti Verstöße gegen die Kleiderordnung. Nicht umsonst besaß sie Vormittags- und Nachmittagskleider, die sich nicht nur in den Farbtönen unterschieden (morgens hell, nachmittags gedeckt), sondern auch in der Machart. Vormittags hochgeschlossen, am Nachmittag durfte es schon mal mit Ausschnitt sein, aber nur mit kleinem, weil ein großes Dekolleté einzig und allein der Abendgarderobe vorbehalten ist. Dass ich seinerzeit überhaupt kein Abendkleid besaß – wann hätte ich so etwas in unserem damaligen Grüne-Witwen-Getto denn anziehen sollen? –, hatte Tante Lotti sehr gewundert. Mein kleines Schwarzes hatte zwar Gnade vor ihren Augen gefunden, doch als ich es – ohne schmückendes Beiwerk – zu einer Trauerfeier anzog, hätte sie doch beinahe die Contenance verloren. Wie konnte ich nur??? Und dann auch noch mit schwarzen Strümpfen, wo doch dieses Accessoire nur den Angehörigen zusteht! Genau wie der Schleier am Hut.
    Hatte mal wieder ein Erbprinz die passende Braut gefunden und sie in der Kapelle von seinem Stammschloss geehelicht, dann konnte Tante Lotti anhand von zig Fotos in allen einschlägigen Regenbogenblättchen genau aufschlüsseln, wer von den hochadligen Gästen über wie viel Ecken mit wem verwandt war. Dabei konnte es auch passieren, dass sie mit hochgezogenen Augenbrauen auf eine Randfigur zeigte: »Was fällt dir denn bei diesem Herrn auf, mein Liebes?«
    »Seine Säufernase«, sagte ich prompt, »und dass die Schleife schief sitzt.«
    »Das auch«, nickte Tante Lotti zustimmend, »aber er dürfte gar keine tragen!«
    »Wieso denn nicht? Zum Smoking passt doch gar nichts anderes.«
    »Das ist richtig, doch ein Smoking passt nicht zu einer Hochzeit, denn da trägt man Cut oder allenfalls einen Frack. Jedenfalls in der guten Gesellschaft!« Der weniger guten billigte sie den dunklen Anzug zu, empfand jedoch Bodenlanges bei den Damen als degoutant. Derartiges sei lediglich der Braut und ihren Jungfern vorbehalten.
    Nun ist zwar mit der Generation von Tante Lotti auch die starre Kleiderordnung gestorben, doch ein Smoking ist nun mal ein Abendanzug und sollte es auch bleiben. Im Übrigen bezweifelte ich, dass Hannes überhaupt noch hineinpasste. Er hatte sich das gute Stück anlässlich des hundertjährigen Firmenjubiläums zugelegt, und seitdem waren einige Jahre mit vielen nahrhaften Ham-, Cheese- und sonstigen Burgern vergangen. Mein Vorschlag, sich bei einem Herrenausstatter in die Hände eines geschulten Verkäufers zu begeben, wurde abgelehnt. »Die kriegen doch alle Umsatzprovisionen! Ich brauche aber keinen Seidenanzug oder eine Kombination aus englischem Kammgarn und Kaschmir. Was zieht Steffi eigentlich an?«
    »Hör doch mit diesen plumpen Überrumpelungsversuchen auf! Du weißt genau, dass ihre Garderobe bei Margit hängt, dort wird sie sich auch fertig machen, und zu sehen bekommst du deine Braut erst vor dem Standesamt.«
    »Ist das auch wieder so ein blödsinniger Aberglaube wie die Geschichte mit der blauen Unterhose und dem alten Taschentuch?«
    »Wie bitte???«
    »Was das bedeuten soll, weiß ich ja auch nicht genau. Ich habe nur so ein Getuschel mitgekriegt von wegen blau und alt und geborgt oder so ähnlich.«
    Du liebe Zeit, sollten sich die so aufgeklärten, selbstbewussten und emanzipierten jungen Frauen von heute doch noch ein kleines bisschen Romantik bewahrt haben und an den alten Bräuchen festhalten, die angeblich eine glückliche Ehe garantieren? Danach soll nämlich eine Braut an ihrem Hochzeitstag etwas Neues tragen, etwas Altes, etwas Geliehenes und etwas Blaues, wobei Letzteres immer das meiste Kopfzerbrechen bereitet. Brautkleider sind nun mal größtenteils weiß, wo soll man da ein bisschen Blau unterbringen?
    Als ich nach einer Viertelstunde endlich den Hörer auflegte, hatte ich meinen Beinahe-Schwiegersohn davon überzeugt, dass er zum Ankauf seiner Hochzeitsgarderobe nicht etwa einen männlichen Begleiter wählen dürfe, sondern einen weiblichen. »Männer beurteilen die Passform eines

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