Schuld war nur die Badewanne
als er zum ersten (und, soweit mir bekannt ist, auch zum letzten) Mal das Dachzimmer besichtigt hatte. »Soll man nicht Bodenräume aus Gründen der Brandgefahr von Gerümpel freihalten?«
Eine Zeitlang schaffte ich es, Katjas Übergriffe auf die zwei anderen Wohnebenen zu verhindern, aber es ist ja bis jetzt auch noch niemandem gelungen, das Vordringen der Sandwüsten zu stoppen.
Als Erstes kaufte ich zusätzliche Kleiderbügel für die Flurgarderobe. Die wurden dankend angenommen, besetzt, und wenn Gäste kamen, waren wieder keine leeren mehr da. In den Schuhschrank passten bald nicht mal mehr ein Paar Schnürsenkel hinein, deshalb reihte Katja ihre übrigen Treter daneben auf. Dann ließ sich allerdings die Toilettentür nur noch zur Hälfte öffnen. Wir gewöhnten uns daran, das Örtchen seitwärts zu betreten.
Woran ich mich allerdings nie gewöhnt habe, waren die überall abgelegten Sachen. Dabei rede ich nicht von Einkaufstüten mit Aufsatzheften drin oder einer Waschpulvertrommel, gefüllt mit leeren Klopapierrollen, denn die stehen ja auf dem Boden, wo man sie sieht – nein, die teilweise unsichtbaren Dinge waren es, die mich manchmal zur Verzweiflung brachten! Da raffte ich mich wirklich mal auf und fuhrwerkte mit dem Staubtuch auch ganz oben über Wandschränke und Regale, und dann kommt mir eine Blechbüchse mit Büroklammern entgegen oder ein nach hinten geschobener Karton mit bunten Filzschnipseln. Es können allerdings auch Streichhölzer ohne Köpfe sein oder – das Nonplusultra! – eine ganze Dose voll mit dem Locher ausgestanzte Papierpünktchen. Aufsaugen darf ich sie aber nicht, denn die sollen irgendwann mal Nasen und Augen von Bastelfiguren werden.
Zur Rede gestellt, weshalb sie ihren Kram nicht wegräumen würde, fand Katja immer neue Entschuldigungen. Mal war es die Aufforderung gewesen, den Tisch zu decken, also hatte sie ihn erst abräumen müssen, mal war überraschend Besuch gekommen, da wurde ganz schnell alles außer Sichtweite gestellt – und später natürlich vergessen. Meine Putzfrau ist kleiner als ich und reicht nie bis ganz oben ran, und ich tröste mich immer mit der Gewissheit, dass auch die penibelste Besucherin nicht kontrollieren kann, ob auf den Schränken Staub gewischt worden ist. Dazu würde sie einen Stuhl brauchen. Logische Folge: Vor diesem Bereich macht mein Reinlichkeitsbedürfnis öfter mal Halt. Freunde wissen natürlich, dass die Zwillinge Lehrer geworden sind, Gelegenheitsgäste setzen beim Anblick eines herumliegenden Rechenbuchs der zweiten Klasse meistens ein verständnisvolles Lächeln auf. »Ich wusste gar nicht, dass Ihr Enkelkind schon zur Schule geht.« Die Frage, welches Enkelkind sie wohl meinen, verkneife ich mir dann aber doch.
Es gab nur einen Hausbewohner, der über Katjas Rückkehr in den Schoß der Familie restlos glücklich war: Otto! Er hatte sie vom ersten Tag an in sein kleines Hundeherz geschlossen, und das bestimmt nicht nur wegen der Leckerlis, von denen sie immer welche in der Tasche hat. Katja schimpfte nie, wenn Otto – triefnass nach einem Spaziergang durch den Regen – an ihr hochsprang, Katja half mit, den verbuddelten Knochen zu suchen, Katja reicherte das Dosenfutter oft genug mit einer Wurstscheibe an, und Katja erbarmte sich meistens, wenn Otto mitten im Fernsehkrimi seinen Tennisball ins Zimmer warf und uns der Reihe nach erwartungsvoll ansah. Sie ist auch die Einzige, die ihm ohne Bedenken einen Knochen aus der Schnauze ziehen kann, und ich bin überzeugt, dass er sogar seinen Fressnapf mit ihr teilen würde.
Otto war aber nicht für die Bezahlung der abrupt angestiegenen Telefonrechnung zuständig, er beschwerte sich nie über die zu laute Stereoanlage, und die Fernsehzeitung interessierte ihn auch nicht; es war ihm also völlig gleichgültig, ob Katja die wieder mal mit in ihr Zimmer genommen hatte. Nicht so der Hausherr. Zeitungen hatten dort zu liegen, wo sie auffindbar seien (das schloss sogar die Toilette ein, keinesfalls jedoch die Mansarde), Ärzte gehörten ins Krankenhaus und nicht in den CD -Player, und wenn diese dauernde Telefoniererei nicht aufhören würde, dann käme ein Schloss an den Apparat. Was Katja denn überhaupt von einem eigenen Anschluss halten würde?
Gar nichts, erwiderte die Tochter, aber wie der Vater denn zu einem Gebührenzähler stehe?
Gute Idee, meinte der, installierte solch ein Gerät und wusste bald ganz genau, wie viele Einheiten vertelefoniert worden waren, nur nicht,
Weitere Kostenlose Bücher