Schuld war nur die Badewanne
Muss man das neuerdings auch studieren?«
Katja hatte inzwischen die Dose aus dem obersten Fach geangelt. »Wer hat bloß den Deckel wieder so fest zugedrückt?« Mit einem Messer bearbeitete sie das widerspenstige Teil, bis es scheppernd zu Boden fiel. »Da ist ja gar nichts drin?«
»Das kann nicht sein! Vor drei Tagen war die Dose noch halb voll.«
»Nu isse jedenfalls leer.« Katja drehte sie um und schüttelte kräftig. Zusammen mit einer Ladung Krümel fiel ein Stück Papier heraus, und plötzlich erinnerte ich mich wieder. In einem Anfall von Verzweiflung hatte ich unlängst einen Zettel auf das Gebäck gelegt: ESST NICHT ALLE KEKSE AUF !!! Jetzt stand drunter: Welche Kekse?
»Das ist Papis Schrift!«, kicherte Katja. »Wir brauchen ein neues Versteck!«
»Kekse machen dick!«, erinnerte ich sie. »Sag mir lieber, was dieser Hannes mit unserer Badewanne zu tun hat. Und glaubst du wirklich, du kannst ihn mit unserem provinziellen Straßenfest ködern? In Heidelberg dürfte das Vergnügungsangebot doch wesentlich größer sein.«
»Hannes ist kein Student, der gehört zu unserem Taucherstammtisch.«
Richtig, davon hatte ich schon gehört. Seitdem meine Töchter ihre Urlaubsziele danach aussuchen, ob die dortigen Tauchgründe auch gehobeneren Ansprüchen genügen, sind sie Mitglieder der jeden Dienstag in einer Pizzeria tagenden Stammtischrunde.
Angeblich trifft man sich zum Zwecke des Erfahrungsaustausches, aber in erster Linie dienen diese Zusammenkünfte mehr dem leiblichen Wohl. Die Lasagne soll besonders gut sein.
»Wenn ich dich recht verstanden habe, ist dieser Hannes also Installateur und wird sich als Dank für die zu erweisende Gastfreundschaft um die Badewanne kümmern?«
»Nein!!!«, schrie Katja. »Lass mich doch erst mal ausreden!«
»Du hast ja noch gar nicht angefangen.«
»Also gut. Hannes ist kein Klempner, hat aber eine ganze Menge technisches Verständnis. Eigentlich gibt es nichts, was der nicht wieder hinkriegt.«
»Das behauptet dein Vater von sich auch. Als er das letzte Mal mein kaputtes Bügeleisen reparieren wollte, hat er nach zwei Stunden kapituliert und behauptet, das sei wahrscheinlich ein Toaster gewesen.«
»Kann dir bei Hannes nicht passieren. Der hat seit neuestem in seinem Laden unten im Keller einen Kompressor stehen, damit wir unsere Flaschen nicht mehr für teures Geld im Tauchshop füllen lassen müssen.«
»Ich brauche keine Pressluft, ich will eine wasserdichte Badewanne haben!«
»Mit Kacheln kennt er sich doch auch aus. Du solltest mal sein umgebautes Bad sehen! Hat er alles selber gemacht.«
»Her mit dem Mann!«
Das Randersauer Straßenfest ist eine feste Institution und findet jedes Jahr am zweiten Juni-Wochenende statt. Veranstaltet wird es im Schlosspark (daher der Name »Straßenfest«), wo das von Grund auf renovierte Wasserschloss eine malerische Kulisse abgibt. Nur die Stadtgärtner sind davon nicht so begeistert. Hinterher sieht der gepflegte Rasen immer aus wie nach einem Reitturnier, und dann muss auch noch ein Kahn herangeholt werden, damit man die vielen Pappbecher und angekauten Brötchen aus dem Schlossteich fischen kann.
In diesem Jahr meinte es der Wettergott endlich wieder gut mit den Veranstaltern, dabei hatten wir uns schon an den regelmäßig einsetzenden Regen gewöhnt. Die Sonne schien bereits am frühen Morgen, während des Frühstücks auf der Terrasse wurde die Butter flüssig, mittags zeigte das Thermometer 32 Grad, und als die Gäste eintrafen, wollten sie erst unter den Gartenschlauch und dann was zu trinken haben. Es war nämlich noch jemand mitgekommen: Schorsch. Den hatte ich nun wirklich noch nie gesehen.
»Schorsch ist Dippel-Ing für Wärme oder so«, informierte mich Katja. »Genau weiß ich auch nicht, was das ist. Ich glaube, er erklärt großen Firmen, warum sie falsch heizen. Vielleicht kriegt er den Heizkörper im Keller wieder hin, du weißt doch, den hinten am Fenster.«
Hannes konnte sich weniger an mich erinnern, sondern mehr an meinen »hervorragenden« Gemüseeintopf, den ich seinerzeit den freiwilligen Möbelpackern vorgesetzt hatte. Wenn der wüsste!!! Ich wiederum hatte ihn als jenen Vielfraß im Gedächtnis, der die Puddingschüssel bis zur Glasur ausgekratzt und dann gefragt hatte, ob noch mehr da sei.
Allmählich füllte sich der Garten. Katjas Tom fuhr vor, Nicki und Thomas trudelten ein, Sven tauchte auf – wir warteten nur noch auf Stefanie und ihren Horst Hermann. Endlich kam sie.
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