Schuldig wer vergisst
die Finger an spitzen Cocktailspießen stach. Einsam und allein.
Simon war weg, und mit ihm schien das Leben aus dem Haus gewichen zu sein. Seltsamerweise war es damals, als die Jungen zum Studium gingen, nicht so schlimm gewesen. Jane hatte gewusst, dass sie zu Weihnachten wiederkommen würden; es gab etwas, worauf sie sich freuen konnte. Sicher, Simon und Ellie würden rechtzeitig zu Silvester zurück sein, aber das war nicht dasselbe. Es lag so etwas Unwiderrufliches in seiner Abreise. Sie stand irgendwie für das Ende einer Ära. Das Ende ihrer Familieneinheit.
Als Jane fertig war und die Abfälle entsorgt hatte, war auch Charlies Film zu Ende, aber er war nirgends zu sehen. Automatisch brachte sie das Wohnzimmer in Ordnung, schüttelte die platt gedrückten Kissen auf, hob eine abgelegte Zeitung sowie die alte Strickdecke vom Boden, die Charlie dort hingeworfen hatte. Außerdem hatte er einen schmutzigen Kaffeebecher stehen lassen, und Jane wusste, dass in Brians Arbeitszimmer noch einer auf sie wartete. Sie seufzte. Was gab Männern eigentlich diesen rührenden Glauben, dass ihre Becher, wenn sie nur lange genug irgendwo herumstanden, von selbst in die Küche zurückfinden würden?
Brian war nicht mehr in seinem Arbeitszimmer, und als Jane endlich ins Schlafzimmer kam, saß er bereits im Bett und las in einem zerfledderten Krimi, den er für zehn Pence beim letzten Wohltätigkeitsbasar erstanden hatte. Als sie hereinkam, klappte er das Buch zu und legte es auf den Nachttisch.
»Lass dich nicht stören«, sagte sie kurz angebunden.
Brian klopfte mit der Hand auf ihre Seite des Bettes. »Janey, ich glaube, wir müssen reden.«
Jane wollte nicht reden, sie erwartete nicht, dass Brian verstehen würde, wie ihr bei Simons Abreise zumute war, und es wäre nutzlos, es ihm erklären zu wollen. Widerstrebend setzte sie sich hin.
»Darüber … na ja, was du über ein Baby gesagt hast.«
Sie atmete heftig ein. Das war das erste Mal, dass Brian es erwähnte, seit sie ihm in jener Nacht eröffnet hatte, dass sie sich mehr als irgendetwas sonst noch ein Baby wünschte. Es wäre noch stark untertrieben gewesen, zu sagen, er sei erstaunt gewesen; er hatte sie praktisch ausgelacht. Als er den ersten Schock überwunden und gemerkt hatte, dass es ihr ernst damit war, hatte er sämtliche Argumente und Klischees aufgetischt, mit denen sie gerechnet hatte: zu alt, zu eingefahrene Gleise, möglicherweise abträglich für ihre Gesundheit. Keines ihrer sorgsam vorbereiteten Gegenargumente hatte seine vorgefasste Meinung auch nur im Mindesten ins Wanken bringen können, sodass sie seitdem angenommen hatte, das Thema sei für ihn vom Tisch. »Ja?«, sagte Jane.
»Na ja, ich hab drüber nachgedacht«, gab Brian zu, »in den letzten Tagen sogar sehr intensiv. Ich glaube, ich war nicht besonders … taktvoll. Ich war einfach nur so erstaunt, Janey.«
»Ich bin nicht zu alt«, erklärte sie, ohne ihn anzusehen, während sie mit einem losen Faden am Bettbezug spielte. »Heutzutage bekommen eine Menge Frauen in meinem Alter noch Babys.«
»Ich hätte mir nie träumen lassen, dass du so darüber denkst«, gab er zu. »Ich dachte, die Jungs wären … dir genug.«
Jane schüttelte den Kopf. »Es hat überhaupt nichts mit den Jungs zu tun.« Das war nur die halbe Wahrheit, und das wusste sie, doch sie fuhr damit fort. »Ich habe mir das schon jahrelang gewünscht. Aber finanziell kam es nicht infrage. Es war einfach gar nicht dran zu denken.« Sie hatte immer die
Rechnungen bezahlt, und sie wusste besser als Brian, wie sehr das stimmte.
»Na ja, Janey, ich habe eben nachgedacht, und wenn es das ist, was du dir wirklich wünschst …«
Sie drehte sich zu ihm um, und ihre Augen füllten sich überraschend mit Tränen. »Mehr als irgendetwas sonst.«
»Solltest du dann nicht besser herkommen?«
Brian breitete die Arme aus, und sie sank seufzend hinein.
Granny!
Das Wort kam Alex zusammen mit dem geliebten Gesicht in den Sinn, und ihr Mund verzog sich zu einem Lächeln.
Es war nicht nötig, in die Wohnung zurückzukehren, um mehr Geld zu holen.
Granny hatte eine Menge Geld, und sie würde ihr welches geben. Granny würde ihr helfen, nach Schottland zu kommen. Vielleicht käme sie sogar mit zu ihrer Mutter.
Und Granny würde auch verstehen, weshalb sie nicht in die Wohnung zurückkonnte. Granny mochte Jilly kein bisschen mehr, als Alex es tat; natürlich würde sie es nie so direkt sagen, aber das brauchte sie auch gar
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