Schuldig
er.
Sein Vorrat war im Bauch einer alten Gitarre versteckt, an der die Hälfte der Saiten fehlte. Auf dem ramponierten Gitarrenkasten waren Reiseaufkleber aus Istanbul und Paris und Bangkok sowie ein Autosticker mit der Aufschrift WENN DU DAS LESEN KANNST, VERPISS DICH.
Bei Lauras erstem Besuch in seiner Wohnung hatte er eine Flasche Wein aus der Küche geholt, und als er zurückkam, hatte sie den Gitarrenkasten aufgeklappt und zupfte an den restlichen Saiten. Spielst du? , hatte sie gefragt.
Er war wie erstarrt stehen geblieben, aber nur einen Moment lang. Dann hatte er den Kasten zugeklappt und beiseitegeschoben. Kommt ganz drauf an, was , hatte er geantwortet.
Jetzt griff er in das Schallloch und tastete darin herum. Er betrachtete seinen Nebenerwerb als harmlosen Zusatzverdienst: Das Studium kostete ein Vermögen; sein Job in der Tierarztpraxis brachte gerade mal genug für die Miete ein. Und Gras zu verkaufen war in seinen Augen in etwa so, als würde er einer Clique Teenagern Bier besorgen. SchlieÃlich lief er nicht durch die Gegend und bot Koks oder Heroin an. Das war wirklich schlimmes Zeug. Trotzdem wollte er nicht, dass Laura von seiner Dealerei erfuhr.
Seth fand das Fläschchen, das er gesucht hatte. »Das Zeug ist echt stark«, warnte er den Teenager.
»Wie wirktâs denn?«
»Es bringt dich auf ânen Trip«, antwortete Seth. Er hörte, dass das Wasser im Bad abgedreht wurde. »Nimmst duâs nun oder nicht?«
Wortlos wurde ihm das Fläschchen aus der Hand genommen, und er schloss die Tür genau in dem Moment, als Laura mit verweinten Augen und verquollenem Gesicht aus dem Bad kam. Sie blieb wie angewurzelt stehen. »Mit wem hast du geredet?«
Seth hätte am liebsten hinausposaunt, wie sehr er Laura liebte und dass er hätte wissen müssen, dass jemand, der immerzu bemüht war, möglichst nicht aufzufallen, und für den der Job und die Familie auf dem Spiel standen, niemals imstande wäre, ihn wirklich zu sehen.
»Mit niemandem«, sagte Seth verbittert. »Dein kleines Geheimnis ist und bleibt sicher.«
Er wandte sich ab, um nicht mitansehen zu müssen, wie sie ihn verlieÃ. Er hörte die Tür aufgehen, spürte den kalten Windzug. »Ich schäme mich nicht deinetwegen«, murmelte Laura, dann verschwand sie aus seinem Leben.
Zephyr verteilte Lippenstifte â knallig pink, grufti-schwarz, dunkelrot, lila. Sie drückte Trixie einen in die Hand. Er war golden, und Trixie drehte ihn herum, um die Beschriftung zu lesen: Glimmerglitter . »Du weiÃt, wie das läuft, ja?«, raunte Zephyr.
Trixie wusste es. Sie hatte noch nie Regenbogen gespielt, hatte es nie gemusst. Weil sie ja mit Jason zusammen gewesen war.
Sobald Trixie bei Zephyr eingetroffen war, hatte ihre Freundin ihr die Strategie für einen bombensicheren Erfolg an diesem Abend erklärt. Erstens, sieh heià aus. Zweitens, trink ständig, egal, was. Drittens â und das war das Wichtigste â halte dich an die Zweieinhalbstundenregel. Vor Ablauf dieser Zeit war es Trixie strikt verboten, Jason anzusprechen. Bis dahin sollte sie mit jedem Jungen flirten, nur nicht mit ihm. Jason ging schlieÃlich davon aus, so Zephyr, dass Trixie ihm noch immer nachtrauerte. Wenn nun das Gegenteil geschah â wenn er miterlebte, wie andere Jungs Trixie anbaggerten und ihm erzählten, was für ein Trottel er war â, würde er seinen Fehler einsehen.
Aber bis jetzt hatte Jason sich noch nicht blicken lassen. Zephyr beschwor Trixie, sich einfach an Punkt eins und zwei des Plans zu halten, dann wäre sie richtig schön angeschickert, wenn Jason endlich eintrudelte und sah, dass sie sich blendend amüsierte. Trixie beherzigte den Ratschlag: Sie tanzte mit jedem, der Lust hatte, und tanzte allein, wenn keiner wollte. Sie trank, bis ihr schummerig vor Augen wurde. Sie lieà sich auf den Schoà von Jungs fallen, die ihr total egal waren, und tat so, als würde es ihr Spaà machen.
In ihrem Spiegelbild in der Fensterscheibe trug sie den goldenen Lippenstift auf. Sie sah damit aus wie ein Model in einem MTV-Video.
In letzter Zeit waren drei Partyspiele in Mode gekommen. »Ringelreihen« bedeutete Sex nach dem Kreisprinzip â du besorgst es einem Jungen, der es einem Mädchen besorgte, das es wiederum einem anderen Jungen besorgte, und immer so weiter, bis man wieder am Anfang angekommen war. Bei »Pokerface«
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