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Schuldig

Schuldig

Titel: Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Arten, mit Trauer umzugehen …«
    Â»Es ist verrückt, nicht?«, unterbrach Trixie sie. »Dass ich einen Menschen liebe, der mich verletzt hat.«
    Â»Es ist verrückter zu glauben, dass dich ein Mensch liebt, der dich verletzt«, entgegnete Janice.
    Trixie hob ihre Tasse. Inzwischen war der Tee kalt. Sie hielt sich die Tasse so vors Gesicht, dass Janice ihr nicht in die Augen sehen konnte. Denn sonst sähe sie bestimmt das letzte Geheimnis, das Trixie hatte wahren können: dass sie Jason seit jener Nacht hasste … aber sich selbst noch mehr. Denn trotz allem gab es noch immer einen Teil in Trixie, der Jason zurückhaben wollte.

    Auf der Leserbriefseite des Portland Press Herald stand:

    An die Redaktion:
    Wir möchten unser Entsetzen und unsere Empörung angesichts der gegen Jason Underhill erhobenen Vorwürfe zum Ausdruck bringen. Wer Jason kennt, weiß, dass er keinerlei Hang zu Gewalttätigkeit hat. Und wenn Vergewaltigung ein Gewaltverbrechen ist, müsste es dann nicht auch Spuren von Gewalt geben?
    Während Jasons Leben abrupt zum Stillstand gekommen ist, spaziert das sogenannte Opfer in diesem Fall seelenruhig herum. Während Jason als Monster dargestellt wird, zeigt das Opfer keines der Symptome, die bei einem Sexualdelikt ansonsten die Regel sind. Vielleicht geht es hier gar nicht um Vergewaltigung, sondern um ein junges Mädchen, das eine freiwillig getroffene Entscheidung im Nachhinein bereut.
    Wenn die Bürger von Bethel in diesem Fall ein Urteil fällen könnten, würde Jason Underhill ganz sicher freigesprochen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Dreizehn ungenannte Lehrkräfte der Bethel Highschool … und sechsundfünfzig weitere Unterzeichner.

    Superhelden entstehen in den Köpfen von Menschen, die unter allen Umständen gerettet werden wollen. Der erste und wohl auch legendärste erblickte in den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts das Licht der Welt, und zwar dank Joe Shuster und Jerry Siegel, zwei arbeitslosen, ängstlichen jüdischen Immigranten, die bei keiner Zeitung eine Anstellung fanden. Sie dachten sich einen Loser aus, der bloß seine Brille abnehmen und eine Telefonzelle betreten musste, und schon verwandelte er sich in einen Ausbund an Männlichkeit, eine Welt, in der der Außenseiter am Ende das schöne Mädchen bekommt. Die Öffentlichkeit, die unter der Weltwirtschaftskrise litt, war von Superman begeistert, weil er sie aus einer düsteren Realität entführte.
    Auch Daniels erster Comic handelte von einem Aufbruch. Inspiriert hatte ihn eine Geschichte der Yupik, in der ein unbedachter Jäger allein hinausfährt und ein Walross harpuniert. Der Jäger weiß, dass er seine Beute nicht allein ins Boot hieven kann, und wenn er die Leine nicht loslässt, wird ihn das Tier über Bord und in die Tiefe ziehen. Der Jäger entscheidet sich dafür, die Leine loszulassen, doch seine Hände sind an den Fasern festgefroren, und er wird ins Wasser geschleudert. Anstatt zu ertrinken, sinkt er aber auf den Meeresgrund und verwandelt sich selbst in ein Walross.
    Daniel begann mit dem Comic, als er einmal in der Schule nachsitzen musste, weil er einen Jungen geschlagen hatte, der sich über seine blauen Augen lustig gemacht hatte. Aus Langeweile hatte er einen Stift genommen und eine Figur gezeichnet, die im Meer anfing – mit Flossen und Hauern – und Richtung Ufer eine aufrechte Haltung annahm, allmählich Arme und Beine und ein menschliches Gesicht bekam. Er zeichnete und zeichnete, sah zu, wie sein Held etwas tat, was Daniel selbst nicht fertigbrachte, nämlich das Dorf endgültig verlassen.
    Auch heute schien jede Flucht unmöglich. In den Tagen nach Trixies Vergewaltigung war Daniel mit der Arbeit kaum weitergekommen. Er würde seinen Abgabetermin nur noch halten können, wenn er rund um die Uhr zeichnete und irgendwie das Wunder vollbrachte, jeden einzelnen Tag um ein paar Stunden zu verlängern. Aber er hatte noch nicht bei Marvel angerufen, er scheute vor der Erklärung zurück, was ihn von der Arbeit abgehalten hatte, es würde alles noch konkreter machen.
    Als morgens um halb acht das Telefon klingelte, hechtete Daniel zum Hörer. Trixie würde heute nicht zur Schule gehen, und Daniel wollte sie möglichst lange in der seligen Bewusstlosigkeit des Schlafes lassen. »Hast du mir was zu sagen?«, fragte die Stimme am anderen

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