Schuldig
Daniel vor ihrer Wohnung warten. Er warf einen Blick auf ihren gewölbten Bauch und packte sie dann wütend an den Oberarmen. »Wieso hast du mir nichts gesagt?«
Laura geriet in Panik, fürchtete, seine raue Persönlichkeit völlig falsch eingeschätzt zu haben. Was, wenn er nicht nur wild war, sondern richtig gefährlich? »Ich hab gedacht, es wäre besser so â¦Â«
»Und was wolltest du dem Kind erzählen?«, fragte Daniel. »Ãber mich?«
»Ich ⦠darüber hab ich mir noch keine Gedanken gemacht.«
Laura betrachtete ihn aufmerksam. Daniel hatte sich in jemanden verwandelt, den sie kaum wiedererkannte. Er war nicht einfach bloà ein böser Junge, der gegen die Gesellschaft rebellierte â sondern jemand, der so aufgewühlt war, dass er vergaÃ, seine Narben zu verstecken.
Er sank auf die Stufen der Vordertreppe. »Meine Mutter hat mir erzählt, mein Dad wäre vor meiner Geburt gestorben. Aber als ich elf war, brachte das Postflugzeug einen Brief für mich mit.« Daniel sah auf.
Laura hockte sich neben ihn.
»Es war immer ein anderer Poststempel, aber nach dem ersten Brief schickte er jeden Monat Geld. Er hat nie erklärt, warum er nicht bei uns lebte. Er erzählte mir von den Salzbergen in Utah oder wie kalt das Wasser des Mississippi ist. Er versprach mir, mich eines Tages mitzunehmen, damit ich das alles mit eigenen Augen sehen konnte. Ich hab jahrelang gewartet, aber er ist nie gekommen, um mich abzuholen.«
Daniel wandte sich Laura zu. »Meine Mutter sagte, sie hat mich angelogen, weil sie dachte, es wäre für mich leichter, meinen Vater für tot zu halten, als zu hören, dass er keine Familie wollte. Ich will nicht, dass unser Baby so einen Vater hat.«
»Daniel«, gestand sie, »ich weià nicht, ob ich will, dass unser Baby einen Vater wie dich hat.«
Er wich zurück, als hätte sie ihn geohrfeigt. Dann stand er langsam auf und ging.
Während der folgenden Woche weinte Laura praktisch ununterbrochen. Doch dann fand sie Daniel eines Morgens, als sie die Zeitung hereinholen wollte, schlafend auf der Treppe vor ihrer Tür. Er stand auf, und sie starrte ihn fassungslos an. Das schulterlange Haar war einem Bürstenschnitt gewichen. Er trug eine Kakihose und ein blaues Oxfordhemd mit aufgerollten Ãrmeln. Er hielt ihr ein Stück Papier hin. »Das ist der Scheck, den ich gerade eingezahlt hab«, erklärte er. »Ich hab einen Job bei Atomic Comics. Die haben mir ein Wochengehalt im Voraus gezahlt.«
Laura hörte ihm zu, und ihr fester Vorsatz wurde immer brüchiger. Vielleicht war sie ja nicht die Einzige gewesen, die sich von einer völlig anderen Persönlichkeit hatte faszinieren lassen. Vielleicht hatte Daniel die ganze Zeit über, während sie seine Wildheit in sich aufsog, bei ihr Erlösung gesucht.
»Im Augenblick reicht das Geld noch nicht«, sprach Daniel weiter, »aber sobald ich kann, will ich aufs College und Kunst studieren.« Er fasste Lauras Hände, sodass ihr Kind zwischen ihnen schwebte. »Bitte«, flüsterte er. »Vielleicht ist das Baby ja das Beste von mir?«
»Du willst das doch alles im Grunde gar nicht«, sagte Laura, während sie sich bereits an ihn schmiegte. »Eines Tages wirst du mich hassen, weil ich dein Leben kaputt gemacht habe.«
»Mein Leben ist schon lange kaputt«, sagte Daniel. »Und ich werde dich nie hassen.«
Sie heirateten standesamtlich, und Daniel hielt all seine Versprechen. Er hörte von heute auf morgen mit dem Rauchen und Trinken auf. Er begleitete Laura zu jedem Termin bei der Frauenärztin. Als Trixie vier Monate später zur Welt kam, vergötterte er sie. Tagsüber, während Laura Seminare gab, ging Daniel mit Trixie in den Park und in den Zoo. Abends besuchte er Kurse und nahm erste Aufträge als freier Zeichner an, ehe er anfing, für Marvel zu arbeiten. Er folgte Laura von einer Lehrtätigkeit in San Diego nach Marquette und schlieÃlich zu ihrer jetzigen Professorenstelle in Maine. Wenn sie abends nach Hause kam, hatte er das Essen fertig; er schob ihr Karikaturen von Trixie als SuperBaby in die Taschen oder zwischen ihre Unterlagen. Er war so perfekt, dass sie sich fragte, ob er ihr den wilden Daniel nur vorgespielt hatte, um ihr Interesse zu wecken. Doch dann fielen ihr wieder seltsame, überraschende Dinge ein: eine Nacht, in der Daniel sie beim Sex
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