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Schuldig

Schuldig

Titel: Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Glas nach draußen getragen hatte, denselben Mann, der sie noch nie im Leben geohrfeigt hatte – auf Jason einschlagen. Sie war entsetzt und fasziniert zugleich. Als würde sie jemandem begegnen, den sie noch nie gesehen hatte, um dann festzustellen, dass er gleich nebenan wohnte.
    Das dumpfe Klatschen der Fäuste erinnerte Trixie an die Blaufische, die in den Docks von Portland mit einem festen Schlag getötet wurden, ehe die Fischer sie filetierten. Sie hielt sich die Ohren zu und starrte zu Boden, auf die Tüte mit Mozzarella, die heruntergefallen und aufgeplatzt war.
    Â»Wenn du«, keuchte ihr Vater, »je wieder …«
    Er traf Jasons Bauch.
    Â»â€¦ in die Nähe meiner Tochter kommst …«
    Ein Haken ans Kinn.
    Â»â€¦ bring ich dich um.«
    Als er die Hand nach hinten riss, um erneut zuzuschlagen, fuhr ein Auto auf den Parkplatz und beleuchtete die ganze Szene.

    Als Daniel zuletzt auf jemanden eingeschlagen hatte, war derjenige schon tot gewesen. In der Turnhalle der Highschool von Akiak hatte er Cane gepackt und zu Boden geknallt, obwohl der Eskimojunge schon ein Einschussloch im Kopf hatte. Er hatte es getan, weil er wollte, dass Cane ihn daran hinderte. Er wollte, dass Cane sich aufsetzte, sich wehrte, ihm eins auf die Nase gab.
    Der Direktor war vorsichtig auf Zehenspitzen in diesen Albtraum hereingeschlichen, hatte Daniels Schluchzen gehört, das Gewehr und die Blutspritzer auf den Zuschauersitzen gesehen. Daniel , hatte der Direktor entsetzt gesagt. Was hast du getan?
    Daniel war weggelaufen, weil er schneller war als der Direktor und schneller als die Polizei. Ein paar Tage lang stand er unter Mordverdacht, und das hatte ihm gefallen, da er sich so weniger schuldig fühlte. Denn es war ihm nicht gelungen, Canes Tod zu verhindern.
    Als er schließlich fortging, waren die Gerüchte um Daniel verstummt. Alle wussten, dass es Canes Jagdgewehr gewesen war und dass man keine Fingerabdrücke von Daniel darauf gefunden hatte. Cane hatte keinen Abschiedsbrief hinterlassen – das war ungewöhnlich –, aber er hatte für seine kleine Schwester sein Basketballtrikot auf dem Tisch liegen lassen. Daniel galt nicht mehr als Verdächtiger, aber er hatte Alaska trotzdem verlassen. Nicht, weil er Angst vor der Zukunft gehabt hätte; er konnte sich bloß keine mehr vorstellen.
    Dann und wann wachte er noch immer nachts auf, und einen Gedanken wurde er nicht los: Tote bekommen keine Blutergüsse.
    Heute Abend hatte eine alte Frau vor Daniel an der Supermarktkasse quälend langsam mit Pennys bezahlt. Die ganze Zeit über hatte er überlegt, ob er richtig gehandelt hatte. Er hatte Trixie nicht gern im Auto allein gelassen, aber die Vorstellung, sie aus dieser Sicherheitszone herauszuzerren, war ihm gleichfalls zuwider gewesen. Er musste doch nur rasch Käse kaufen. Er war in den Laden gehastet, von dem einzigen Gedanken getrieben, Trixie möglichst schnell wieder nach Hause zu bringen.
    Und dann, im Lichtkegel der Straßenlampe, hatte er es gesehen: die Hand dieses Dreckskerls auf dem Arm seiner Tochter.
    Jemand, der noch nie richtig in Zorn ausgebrochen war, könnte das kaum verstehen. Aber für Daniel war es so, als habe er ein seit Langem verloren geglaubtes Kleidungsstück wiedergefunden und angezogen. Vernunft wurde von purem Gefühl verdrängt. Sein Körper begann zu brennen; sein Zorn summte ihm in den Ohren. Er sah wie durch einen roten Schleier, er schmeckte sein eigenes Blut und er wusste, dass er nicht würde aufhören können. Er spürte seine aufgeschlagenen Fingerknöchel und das Adrenalin, das ihn vorantrieb. Er genoss es, und er erinnerte sich wieder daran, wer er einmal gewesen war.
    Jede Prügelei mit irgendwelchen Großmäulern in Akiak, jede Kneipenschlägerei mit irgendwelchen Betrunkenen, jedes Fenster, das er eingeschlagen hatte, um durch eine verschlossene Tür zu gelangen – es war, als wäre Daniel aus seinem Körper ausgebrochen und beobachtete den Tornado, der sich dort eingenistet hatte. Er verlor sich bereitwillig in dieser Wildheit.
    Als er endlich aufhörte, zitterte Jason am ganzen Körper, nur Daniels Hand an seiner Kehle hielt ihn noch aufrecht. »Wenn du je wieder … in die Nähe meiner Tochter kommst«, sagte Daniel, »bring ich dich um.«
    Er starrte Jason an, um sich ganz genau einzuprägen, wie der Junge aussah, wenn er wusste, dass er

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