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Schuldlos ohne Schuld

Schuldlos ohne Schuld

Titel: Schuldlos ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell-Olof Bornemark
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Estland.
    »Das ist eine Zeit her«, sagt der Polsterer, und Martin geht langsamer.
    Als sie in das Lokal kommen, scheint niemand überrascht. Einige nicken Martin sogar zu, als er und der Polsterer sich am Ecktisch niederlassen.
    »Heute gebe ich einen aus«, sagt Martin und geht zur Theke, wo ihm der Wirt mit einem überraschten Lächeln begegnet.
    »Warst du verreist?«, fragt der Wirt und zwinkert vertraulich.
    »Ja«, antwortet Martin mit leisem Lachen. »Ich war in Finnland.«
    Dann lachen sie beide gemeinsam, als wären sie plötzlich an eine amüsante Geschichte erinnert worden.
    Der Polsterer beginnt mit seinen Erzählungen. Wie immer von Anfang an. Er muss sie im Zusammenhang erzählen, als wäre es ein auswendig gelernter Text. Sonst bekommt er keine Ordnung hinein. Martin hört nur mit einem Ohr zu. Er hat alles früher schon gehört, und es ist nichts Neues hinzugekommen. Außerdem hat er an ganz andere Dinge zu denken.

9
    »Dreihundert.«
    Das Angebot kommt etwas plötzlich, aber es ist nicht überraschend. Martin hat begriffen, und obwohl er ein wenig rot wird, ist er nicht schockiert.
    »Dreihundert. Du wirst es nicht bereuen.«
    Sie ist vor ihm ausgewichen und lehnt den Kopf gegen die Mauer. Das blasse, aber spitze Gesicht ist konzentriert und abwartend, nicht im Geringsten verführerisch. Die Stimme, die manchmal schrill und hysterisch sein kann, hat an Festigkeit gewonnen, der Blick ist prüfend. Nun geht es ums Geschäft. Martin hat bereits erfahren, wie launisch sie sein kann, und er lässt sich mit seiner Antwort Zeit.,
    In Wirklichkeit weiß er nicht, was er sagen soll.
    Sie sitzen allein an einem Tisch vor dem Lokal. Alle anderen Gäste haben drinnen Platz genommen. Die Temperatur ist beträchtlich gesunken, morgen werden alle Tische und Stühle und der wacklige, blau bemalte Holzzaun, der ein gutes Stück aufs Trottoir hinausragt, bis zum nächsten Jahr verstaut. Der Altweibersommer ist vorbei. Jetzt bleibt nur noch trübes Wetter.
    Der Libanese, dem das Wirtshaus gehört, ein düsterer, verwachsener Verbrechertyp um die Fünfzig, kommt heraus und stellt sich wie ein dunkler Schatten in die Türöffnung. Zuerst glaubt Martin, dass er sie vertreiben will. Es liegt Kaltherzigkeit und Verachtung in diesen schwarzen levantinischen Augen. Oder ist es nur Gleichgültigkeit?
    »Hallo!«
    Es ist die Frau, die ruft. Sie winkt eifrig mit dem Arm, und sowohl die Stimme wie auch die Geste sind vulgär und übertrieben. Plötzlich begreift Martin, dass sie Angst hat.
    Der Libanese wendet sein schweres Haupt, und die schwarzen Augen blicken Martin und seine Begleitung an. Er antwortet nicht und verrät mit keiner Miene, dass er verstanden hat, die Frau könnte ihn meinen. Es liegt eine Art Fernweh in seinem Blick wie bei jemandem, der gefesselt in einem Zimmer sitzt und weiß, dass er es nie wird verlassen können.
    »Hörst du nicht?«
    Der Ruf ist so gellend, dass die Leute im Restaurant die Nasen an die Scheiben drücken und mit starrem Blick und aufgesperrten Mündern auf die Straße hinausglotzen.
    »Verdammte Ausländer«, zischt die Frau und erhebt sich halb. Sie hat etwas Wütendes im Blick, beruhigt sich aber, als sie merkt, dass Martin sich unbehaglich auf dem Stuhl windet.
    »Warum zum Teufel kommen sie hierher?«
    Da verschwindet der Libanese in der Gaststätte und lässt Martin und die Frau allein auf dem Trottoir. Der Mond geht durch eine Wolke, und das Licht wird fahler. Alles ist leichenblass und trübsinnig. Der erste Windstoß vom Eismeer oben im Norden drängt sich dreist unter den Baldachin.
    »Ich muss etwas zu trinken haben«, stöhnt die Frau und schüttelt den ganzen Körper.
    Sie trägt noch immer Sommerkleidung, dazu aber eine Samtjacke, die sie geöffnet hat, ebenso wie die obersten Knöpfe der Bluse. Der Rock reicht nur ein kurzes Stück über die Oberschenkel. Martin schielt auf ihre Beine, die sie schamlos breit auseinanderstellt. Ein Muster von blauen Blumen ist in den Strümpfen. Er glaubt, dass es Vergissmeinnicht sind, er kann aber auch sehen, dass sie auf dem Schenkel einen großen blauen Fleck hat, der unter den Rocksaum kriecht.
    »Du bist ein richtiger Mann«, girrt die Frau und reibt sich anlehnungsbedürftig an Martin.
    »Welche herrlichen Muskeln du hast«, fügt sie schmeichelnd hinzu und klingt sehr beeindruckt, während sie mit ihren knochigen Fingern in Martins linken Arm kneift.
    Sie ist wie ein Chamäleon, im einen Augenblick grell feuerrot und in der

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