Schule der Lüfte wolkenreiter1
nicht, doch Beere fuhr herum, den Schwanz aufgestellt und das Nackenhaar gesträubt. Lark bemerkte, wie Petra mit vor Überraschung weit aufgerissenen Augen den Oc-Hund anstarrte.
»Komm, Beere«, murmelte Lark. »Am besten ignorierst du sie.« Sie gab ihm einen leichten Schubs, doch er blieb noch einen Augenblick stehen, bevor er sich umdrehte und hinter Lark und Tup hertrottete. Lark grinste ihn an und zog ihn sanft an einem Ohr. »Du hast eine gute Menschenkenntnis, nicht?« Beere ließ die Zunge aus dem Maul hängen und wedelte mit dem Schwanz.
Lark sog mit geblähten Nasenflügeln genüsslich den Geruch des Winters ein. Das Jahr öffnet die Hand, um die Jahreszeiten zu verschenken, sagte man im Hochland. Die Mädchen der Akademie würden bald für die Erdlin-Ferien
nach Hause fahren. Lark, Tup und Molly würden dann zehn kostbare Tage auf dem Unteren Hof verbringen.
Auf der Koppel waren die Mädchen der ersten Klasse bereits aufgesessen, als Lark und ihre kleine Gefolgschaft dort ankamen. Eine Gruppe älterer Mädchen und ein paar Lehrerinnen hatten sich in der Nähe des Tores versammelt. Die Stimme von Meisterin Tänzer, der Lehrerin dieser ersten Klasse, hallte laut und deutlich über die Koppel.
»Es wird nicht lange dauern«, sagte sie. »Die Pferde sollen ihre Stärke erproben, aber wir wollen sie nicht ermüden. Ich werde mit Tänzer voranfliegen, und Sie werden mir folgen … Hester als Erste, dann Beatrice, Lilian, Beryl, Isobel, Grazia … Anabel. Ist alles in Ordnung, Anabel?«
Anabels schmaler Körper war über dem Vorderzwiesel zusammengesackt, und sie sah aus, als wäre ihr schlecht. Ihr graues Fohlen zappelte aufgeregt, und Anabel konnte nur mit sichtlicher Anstrengung den Rücken straffen. Lark sah, dass sie schwer schluckte, doch sie hob die Zügel, um Chance zu beruhigen. »Mir geht es gut«, stieß sie hervor. Ihre Stimme zitterte bei diesen Worten.
Alle Mädchen waren blass und hatten vor Aufregung ganz große Augen. Im Schlafsaal hatte in der letzten Nacht sehr viel Unruhe geherrscht. Die Mädchen hatten sich herumgewälzt und im Traum vor sich hin gemurmelt. Anabel sah krank aus vor Furcht. Lark bekam auf einmal Angst um sie.
Nur Hester wirkte selbstbewusst, fast lustvoll. Sie drehte sich im Sattel von Goldener Morgen herum und grinste ihre Klassenkameradinnen an. »Kommt schon, Mädels!«, rief sie. »Goldie kann es kaum erwarten und ich auch nicht.« Ihr Fohlen trampelte mit den Vorderläufen auf den Boden, und hier und da war ein halbherziges Kichern zu hören.
Meisterin Tänzer trabte auf Himmelstänzer zügig zum Ende der Flugkoppel, machte kehrt und galoppierte los. Hester war direkt hinter ihr, die anderen Mädchen folgten der Reihe nach. Anabel war die Letzte. Sie schien um ihr Gleichgewicht kämpfen zu müssen, so heftig schlug sie gegen den Hinterzwiesel ihres Flugsattels.
Vier Pfähle von dem Wäldchen am Ende der Flugkoppel entfernt verfiel Himmelstänzer in den Handgalopp und erhob sich dann mit einem kräftigen Flügelschlag in die Luft. Goldener Morgen imitierte das Leittier in vollendeter Perfektion, ihr Schweif wehte im Wind, ihr Atem dampfte in der kalten Luft. Und Hester … Hester, die auf dem Boden so knochig und klobig wirkte, schien im Flug wie verzaubert. Ihre große Gestalt bewegte sich geschmeidig im Rhythmus mit Goldies Flügelschlägen; dabei hielt sie die Zügel locker in der Hand. Sie wirkte gertenschlank und leicht wie eine Feder. Hester sah aus, als wäre sie ihr ganzes Leben lang geflogen, und Lark strahlte vor Stolz.
Die anderen hoben etwas weniger anmutig vom Boden ab. Die Pferde breiteten die Flügel aus, die Membranen kräuselten sich, und die Flügelspitzen zitterten vor Anstrengung. Einige schwankten, nachdem sie vom Boden abgehoben hatten, und Pferd und Reiter suchten erneut das Gleichgewicht. Als Anabel dran war, griff Lark nach der kleinen Kalla-Figur in ihrer Tasche und umfasste sie so fest, dass ihre Finger schmerzten. Sie fand, dass Anabel zu aufrecht saß und es Chance schwermachte abzuheben. Als sie dann aufstiegen, rutschte Anabel im Sattel hin und her, und Chance verlor den Rhythmus. Lark presste aus Solidarität die Schenkel zusammen und hörte, wie einige um sie herum vernehmlich nach Luft schnappten. Offenbar beobachteten auch andere Mädchen Anabel. Bis Chance seinen Rhythmus
wiedergefunden hatte, Anabel wieder sicher im Sattel saß, die Hacken nach unten durchdrückte und den Kopf hob, hielt Lark die Luft an. Das Paar schwenkte
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