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Schule versagt

Schule versagt

Titel: Schule versagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Faltin , Daniel Faltin
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Ilse und Hans hatten PS E-Fort bildungen besucht, intensiv und bewusst. In zahlreichen Treffen hatten wir gemeinsam Strategien zur Umsetzung, auch über die Learning-by-Doing-Woche hinaus, entwickelt. So schwer konntees nicht sein nach all der Vorbereitung. Es war alles ganz klar   – und doch hatte es nicht getragen.
    Motivation ist in der Schule eine rare Sache. Die Kollegen, die sich für EVA entschieden hatten, blieben die Ausnahme   – acht von mehr als fünfzig. Wenn ihre Motivation nicht trug: Lag es daran, dass ihr eigentlicher, ihr innerer Beweggrund gar nicht der Erfolg von EVA, also Veränderungen im Schüler-
und
Lehrerverhalten, war? Ich erinnere mich an die ersten EV A-Treffen auch deshalb so genau, weil die Stimmung immer in dieselbe Richtung ging: Es sollte etwas Neues ausprobiert werden. Man wollte auf neuen Wegen zum Ziel kommen. Das Ziel war die Orientierung der Schüler in Richtung Selbstständigkeit und Eigenverantwortung. Alles sollte neu sein. Das war wichtig. Ich nahm es damals als Überdruss von Kollegen, die alle mindestens zwanzig Jahre in der Schule verbracht hatten, an ihrer täglichen Routine. Nach meinen bisherigen Erfahrungen in der Schule war es so gewesen, dass viele, wenn auch nicht alle Lehrer sich in Routine wohlfühlen, sich manchmal dahinter verkriechen. Und nun gab es hier Ausnahmen, wenn auch in geringer Zahl. Umso erfreulicher. Das waren eben die wenigen Innovatoren. Das Projekt stand auf dem Papier: in Klipperts Büchern, in PS E-Fortbildungs -Dokumenten; man konnte es nachlesen. Auch der Unsicherste fand immer einen Hinweis, wenn er nicht weiterwusste. Das Neue war sogar normiert, als Schulversuch und innovatives offizielles Projekt der Ministerialverwaltung. Eine gute Voraussetzung für Lehrer, Neues zu wagen. Man hängte sich nicht zu weit aus dem Fenster, war aber »voll im Trend«, wie uns ein Kollege einmal stolz mitgeteilt hatte. Alles stimmte aus Lehrersicht.
    Woran also lag es? In den EV A-Konferenzen war nicht nur die Begeisterung für die ersten Schritte auf dem neuen Weg zu spüren. Wenn ich genau nachdachte, wenn ich ehrlich zu mir selbst war, erlebte ich diese Treffen auch als den verzweifelten Versuch, dem beruflichen Leben mehr Sinn, mehr Tragfähigkeit, mehr Richtung und mehr Erfolg zu geben. Vor allem für Ilse traf das zu. Ihre Verzweiflung war nicht nur augenfällig, sie sprach auch freimütig darüber. Sie hatte lange nicht nur berufliche, sondern auch private Probleme gehabt und wollte, dass sich in ihrem eigenen Schulalltag endlich etwas zum Positiven hin veränderte.Herb hoffte vielleicht, über den neuen Weg zu verwirklichen, was er ganz persönlich unter Verantwortung und Selbstständigkeit verstand. So gesehen hatten wir die ganze Zeit aneinander vorbeigeredet und agiert. Für Herb mussten Schüler sich zwangsläufig ihrer Eigenverantwortung stellen, wenn sie einer Übereinkunft mit ihrer Unterschrift verbindlich zugestimmt hatten.
    Als meine Schüler mir erzählten, dass Hans Choleriker sei, überraschte es mich. Ich hatte das nicht gewusst. Zu mir war er immer ausnehmend freundlich gewesen. Hinzu kam, dass er sich in der Schule engagierte, auch einmal aneckte, mit der Leitung nicht von vornherein lieb Kind war. Mir gegenüber hatte er sich manchmal über intrigante Kollegen geärgert. Das alles machte ihn sympathisch. Auch das ließ mich hoffen, Hans sei einer der Lehrer, die eine andere Weltsicht hätten als viele derer, die ich in Referendariat und Schule bisher kennengelernt hatte. Die Schüler meiner Klasse zeichneten ein anderes Bild. Sie erzählten mir, wie Hans ab und zu »austickte«. Meist ohne jeden ersichtlichen Grund. Er fing ganz plötzlich an zu brüllen, den Schülern heftige Vorwürfe zu machen, und tat sich schwer damit, sich wieder zu beruhigen. Was bewegt Choleriker dazu, so zu sein, wie sie sind? Es sei wie ein Trieb, erzählten meine Schüler, wie ein Mechanismus, den Hans selbst nicht in der Hand habe, so als werde er an Fäden gezogen wie eine Marionette. Der Gegensatz zwischen meinem eigenen Eindruck und der Darstellung meiner Schüler schockierte mich.
    Carlos ruhige Art, seine Konsequenz und seine Zielorientierung hatten das Projekt von Anfang an beflügelt. Von ihm hatte ich den Eindruck, dass er Persönlichkeit besaß, so wie unsere Schüler den Begriff definiert hatten. Er behandelte sie wie erwachsene Menschen. Er nahm sie ernst, er unterstützte sie bei der Lösung ihrer Probleme und erinnerte mich an die

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