Schumacher, Jens - Deep
sie im Haus, schnappte sich Dad das Telefon. Onkel Jeff klemmte sich hinter den PC. Ich denke, sie haben den Fund bei den zuständigen Stellen gemeldet, damit es später, wenn es um Finderlohn und so was geht, nicht zu Unklarheiten kommt. Jeff postete noch etwas auf Facebook, dann gingen sie gemeinsam weg.«
Henry und Becca warteten. Doch es kam nichts mehr.
Die Getränke wurden gebracht. Henry nippte an seiner Coke und überlegte, wie er Robbies Zunge lösen konnte. Noch immer hatte der Junge ihnen nicht verraten, was sein Vater entdeckt hatte. Andererseits schien er das dringende Bedürfnis zu haben, darüber zu reden, andernfalls wäre er ihnen kaum gefolgt.
»Was hast du damit gemeint, am Abend ihrer Rückkehr hätten sie noch von ihrer Entdeckung erzählen dürfen?«, hakte er nach.
Robbie starrte ihn entsetzt an, als hätte er bereits vergessen, dass er das selbst vor wenigen Minuten gesagt hatte. Henry gab sich Mühe, Beccas ungeduldig unter der Tischplatte wippende Knie zu ignorieren, und versuchte, einen vertrauenswürdigen Eindruck zu machen.
Schließlich stieß Robbie einen Seufzer aus. »Am nächsten Tag kam ich in Dads Büro, weil ich fragen wollte, was er und Onkel Jeff zum Mittagessen haben wollten.«
»Du kochst für deinen Vater und seinen Kompagnon, wenn du bei ihnen zu Besuch bist?«, erkundigte sich Becca ungläubig.
Für einen kurzen Moment blitzte das freche Grinsen wieder auf Robbies Gesicht auf. »Keine Spur. Ich laufe zu einem der Imbissläden am Hafen und besorge uns was. Da gibt’s über zwei Dutzend Buden, und ein paar machen …«
Beccas gerunzelte Stirn brachte ihn zum Verstummen. »Ich kam also ins Büro«, wiederholte er. »Dad und Onkel Jeff hockten vor dem PC. Sie wirkten angespannt und ungewöhnlich ernst. Das grüne Lämpchen oben am Monitor leuchtete, was bedeutete, dass die Webcam eingeschaltet war. Als ich reinkam, fuhr Dad herum und schnauzte mich an, was ich wolle. Ich war total verdattert und stammelte etwas von wegen Essen. Onkel Jeff legte Dad eine Hand auf die Schulter, dann erklärte er mir, sie seien mitten in einer Skype-Konferenz und ich solle später wiederkommen. Ich gehorchte. Beim Rausgehen warf ich einen Blick auf den Monitor. Im Videochat-Fenster war ein Mann zu sehen, ein älterer Typ in einem Anzug, der aussah, als käme er aus dem Museum. Dunkle Augen, mit Gel zurückgeklatschte Haare … Wenn ich’s mir recht überlege, sah er aus wie der Bösewicht aus einem Marvel-Comic.« Er lachte humorlos. »Eine halbe Stunde später kamen Dad und Onkel Jeff aus dem Büro. Sie wirkten angespannt und irgendwie … eingeschüchtert. Ja, eingeschüchtert ist das richtige Wort! Dad nahm mich bei den Schultern und sah mich ernst an. Ich musste ihm hoch und heilig versprechen, niemandem ein Sterbenswörtchen von dem zu erzählen, was er mir am Vorabend über die Sache verraten hatte.«
Robbie verstummte. Unsicher nippte er an dem neuen Root Beer. Er schien hin- und hergerissen, ob er sein Versprechen brechen sollte. An Henrys Seite stieß Becca einen genervten Stöhnlaut aus.
»Was glaubst du, woher der Stimmungsumschwung kam?«, wollte Henry wissen. »Wieso feiern die beiden am Abend vorher noch feuchtfröhlich ihre Entdeckung, und nur einen Tag später machen sie plötzlich ein Staatsgeheimnis daraus?«
»Die Frage habe ich mir auch gestellt.« Robbies Gesicht nahm wieder einen besorgten Ausdruck an. »Als ich Dad darauf ansprach, begann er herumzudrucksen. Es sei eben wichtig, der Rest ginge mich nichts an. Damit gab ich mich natürlich nicht zufrieden. Am Nachmittag passte ich Onkel Jeff draußen am Boot ab. Ich fragte ihn, worum es in der Skype-Konferenz gegangen sei. Er gab sich alle Mühe, nichts zu verraten, aber er kann sich nicht so gut beherrschen wie Dad … Manchmal verplappert er sich.«
»Haben wir gemerkt«, bestätigte Henry.
»Jedenfalls konnte ich mir zusammenreimen, dass der unsympathische Typ auf dem Monitor sich am Morgen bei Dad gemeldet hatte. Offenbar war die Meldung über den Fund irgendwie zu ihm durchgedrungen. Er war extrem interessiert an dem, was Dad und Onkel Jeff entdeckt hatten, und wollte einen Bericht aus erster Hand.« Robbies Miene umwölkte sich von Neuem. »Was sie sonst noch gesprochen haben, kann ich nicht sagen. Aber ich erkenne Dads Blick, wenn er ein fettes Geschäft wittert. Ich vermute, der Fremde hat den beiden Geld versprochen, wenn sie ihre Entdeckung fürs Erste geheim halten. Eine Menge Geld.« Der Junge
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