Schumacher, Jens - Deep
nickte, fügte er hinzu: »Und wir können es benutzen? Sofort? Heute?«
»Ganz so rasch wird es nicht gehen«, erklärte McKenzie. »Wenn ich gleich mit den Vorbereitungen beginne und mir per Fax die erforderlichen Genehmigungen kommen lasse, können wir in vierundzwanzig Stunden aufbrechen. Zum Glück sind vom Institut aus für die kommenden Tage keine Experimente auf See angesetzt.« Er hob sein leeres Glas und prostete Henry und seinem Vater zu. »Erwartet mich morgen Nachmittag im Hafen von Cilacap. Dann stehen die Ki'tenge und ich zu eurer Verfügung.«
Henry verstand kein Wort. »Könnte mir vielleicht mal einer verraten, wovon ihr sprecht?«
Der Meeresbiologe legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Komm mit, Henry. Ich will dir zeigen, wie der Teil unserer Forschungsarbeit vonstattengeht, der vor Ort erledigt werden muss …«
17
CILACAP, 27. SEPTEMBER 2013
»Ich glaub, mein Schwein pfeift!« Mit aufgerissenen Augen starrte Becca Burrows über das Wasser zur Mündung des Hafenbeckens. »Der Kumpel deines Dads hat ein eigenes Unterseeboot?«
Henry nickte und beobachtete fasziniert, wie ein knapp zehn Meter langes Motorboot in den Hafen von Cilacap einlief. Die Massai schien bereits älteren Baujahrs zu sein, machte aber einen gepflegten Eindruck. Auf dem Decksaufbau mit dem Steuerstand prangte weithin sichtbar der blaue Schriftzug von Mokele Oceanics, hinter dem Boot durchpflügte eine tief im Wasser liegende Last die Wellen.
Aus dem Augenwinkel sah Henry, wie sein Vater einen Blick auf seine Armbanduhr warf. Es war fast ein Uhr nachmittags -drei Stunden früher, als Dr. McKenzie ihnen seine Ankunft in Cilacap am Vortag angekündigt hatte. Zu ihrer großen Freude hatte sich der Meeresbiologe am Vormittag gemeldet und verkündet, dass die Ki’tenge bereits eher einsatzbereit wäre.
Henry und sein Vater waren am Abend zuvor mit dem Wagen nach Cilacap zurückgekehrt. Die Forschungsstation besaß zwar Gästeunterkünfte, aber die Wasserroute von Pangandaran zum Wrack führte ohnehin an Cilacap vorbei, wo Dr. Wilkins den Land Rover für ihre spätere Rückkehr zum Borobudur abstellen wollte.
Während der Fahrt hatte das Quadband-Handy geklingelt. Am anderen Ende der miserablen Verbindung war Becca gewesen, die sich erkundigen wollte, wo Henry steckte und ob sein Vater und er nicht Lust hätten, sie und ihren Onkel Harry zum Abendessen zu besuchen. Die beiden hatten, und kaum eine Stunde später saßen sie in einem feudalen Haus aus der indonesischen Kolonialzeit und labten sich an einheimischen Köstlichkeiten.
Harry Friedkin, Beccas Onkel, war ein ältlicher Mann mit weißem Haar und grau meliertem Schnauzbart. Er wirkte etwas reserviert und auf eine altmodisch-britische Art steif, zugleich aber auch sehr nett. Während des Essens erkundigte er sich interessiert nach Dr. Wilkins’ Forschungen und erzählte unterhaltsame Anekdoten über seine Arbeit im Dienste der größten Bank Indonesiens.
Von den diversen Gängen, die Mr Friedkins javanische Köchin auftischte, erkannte Henry lediglich Nasi Goreng und gebratene Garnelen. Beides schmeckte vorzüglich, genau wie die restlichen Gerichte.
Als Mr Friedkin hörte, dass Henry und sein Vater die Nacht in Cilacap verbringen wollten, bot er ihnen ein Gästezimmer in seinem Haus an. Da Henry die schäbige Pension, wo er mit Josh abgestiegen war, noch zu gut in Erinnerung war, hatte er seinen Vater so lange bearbeitet, bis dieser einwilligte.
»Hmm … Groß ist das Ding ja nicht gerade.« Je näher die Massai dem kleinen Kai kam, desto mehr wich Beccas anfängliche Begeisterung einer gewissen Ernüchterung. Henry verstand das durchaus. Die Ki'tenge, McKenzies Tauchboot, machte tatsächlich keinen allzu Ehrfurcht gebietenden Eindruck. Vom Ufer aus waren lediglich zwei blau gestrichene, etwa fünf Meter lange Stahltanks zu erkennen, die wie überdimensionale Pressluftflaschen nebeneinander durchs Wasser glitten. Vom eigentlichen Tauchboot ragte nur die Einstiegsluke mit ihrer halbkugelförmigen Glaskuppel über die Wellen hinaus. Sonst war nichts zu sehen.
»Lass dich von der Größe nicht täuschen.« Dr. Wilkins überschattete die Augen mit einer Hand, während er mit der anderen einer Gestalt in blauem T-Shirt zuwinkte, die im Steuerhaus hinter dem Ruder stand. »Die Ki’tenge mag zur Klasse der ›kleinen‹ Tauchboote gehören, doch auch mit so einem Fahrzeug lassen sich Tiefen von bis zu fünfhundert Metern erreichen. Mehr als genug für das,
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