Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schumacher, Jens - Deep

Schumacher, Jens - Deep

Titel: Schumacher, Jens - Deep Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Schumacher
Vom Netzwerk:
rasselnden Atem seines Vaters im Nachbarbett gelauscht, Resultat einer Operation der Atemwege, die nach seiner Rückkehr aus der Antarktis nötig gewesen war. Irgendwann war er in einen unruhigen Schlaf gefallen, doch auch dort fand er keine Ruhe. Henry träumte, vage und verschwommene Bilder zunächst, bis sich nach und nach eine erkennbare Szenerie vor ihm abzeichnete. Er blickte aus einem nächtlichen Himmel auf eine Großstadt hinab, möglicherweise New York. Fasziniert betrachtete er ein wahres Meer aus blinkenden Lichtpunkten: Autoscheinwerfer, Straßenlaternen, erleuchtete Fenster, Werbetafeln und vieles mehr.
    Nach einer Weile glitt sein Blick, mehr durch Zufall als mit Absicht, in die Höhe – und er schrak zusammen.
    Oberhalb der Metropole schwebte ein riesiger, kreisförmiger Umriss am Himmel. Zunächst dachte Henry an eine fliegende Untertasse, ein gigantisches Ufo, wie man es aus Filmen wie Independence Day kannte. Doch dann stellte er fest, dass es mehr eine Art Luke zu sein schien, eine runde Stahltür, die sich als dunkler Fleck vor dem funkelnden Sternenhimmel abzeichnete.
    Verwundert, aber noch nicht weiter beunruhigt, wollte Henry sich wieder dem Treiben am Boden zuwenden. Da hörte er ein Geräusch … ein rhythmisches, dumpf widerhallendes Ticken.
    Er sah erneut hoch und bemerkte, dass in der Mitte der Tür eine riesige Uhr eingelassen war. Das Zifferblatt wies keine Zahlen auf, lediglich auf der Position der Zwölf prangte ein unförmiges, vielfach verästeltes Symbol. Es war dasselbe Zeichen, mit dem in der steinernen Halle unterhalb des Borobudur ein Dutzend Punkte auf der Weltkarte markiert waren. Und der Zeiger, momentan etwa in Zehn-vor-zwölf-Stellung, tickte unaufhaltsam vorwärts.
    Eine knisternde Spannung lag plötzlich in der Luft. Henry spürte, dass irgendetwas unmittelbar vor seiner Vollendung stand – etwas, das sehr lange auf diesen Zeitpunkt gewartet hatte.
    Mit jedem Ticken wuchs Henrys Nervosität. Er verspürte den Drang, etwas zu unternehmen, den Lauf des Zeigers irgendwie aufzuhalten. Doch wie so oft in Träumen schien er keinen physischen Körper zu besitzen. Er war hilflos, konnte nichts tun.
    Der Zeiger tickte ein letztes Mal und erreichte die senkrechte Position.
    Ein dröhnender Gongschlag ließ die riesenhafte Luke erbeben. Hinter dem Stahl setzte ein urzeitliches Grollen ein, dann begann die Klappe wie in Zeitlupe aufzuschwingen.
    Eine Öffnung wurde sichtbar. Dort, wo eigentlich Sterne hätten funkeln sollen, brodelte eine Schwärze, dunkler und tiefer als das bloße Fehlen von Licht. Und inmitten dieser fast greifbar dichten Finsternis bewegte sich etwas.
    Unvermittelt wuchs etwas aus dem düsteren Loch hervor, ein schlangenartiger Schemen, dick wie ein Wolkenkratzer. Mit aberwitziger Geschwindigkeit wurde er länger, raste auf die Stadt am Boden zu.
    Entsetzt stellte Henry fest, dass es sich um einen Tentakel handelte, einen Krakenarm von unvorstellbaren Proportionen!
    Schon hatte das Gebilde die höchsten der Gebäude erreicht. Ein beiläufiges Zucken, eine einzige, schlängelnde Bewegung, und schlagartig lag ein ganzes Stadtviertel in Schutt und Asche. Explosionen erschütterten die Nacht, Feuersbrünste rasten durch die Straßen, Hochhäuser kippten wie Dominosteine. Henry bildete sich ein, die panischen Schreie von Millionen Menschen weit unter sich zu hören.
    Wie eine alles vernichtende Walze setzte der titanische Tentakel sein Werk der Verwüstung fort. Da erschien in der Luke am Himmel plötzlich ein zweiter Arm! Geschmeidig und scheinbar ebenfalls endlos lang schlängelte er sich aus der schwarzen Öffnung hervor.
    Doch sein Ziel war nicht die Stadt. Henry vergaß vor Schreck beinahe zu atmen, als ihm klar wurde, dass dieser Arm sich, die Gesetze der Gravitation verhöhnend, waagerecht durch die Luft schob – genau auf ihn zu.
    Erneut versuchte er, sich zu bewegen, seinen Aussichtspunkt zu verlassen … vergeblich! Immer näher rückte das monströse Gebilde, während im Hintergrund weitere Schlangenarme aus der Luke hervorquollen.
    Schon war der Tentakel so nah, dass Henry seine graubraune Haut erkennen konnte, zerfurcht und schartig wie die Oberfläche eines Asteroiden. Sie war übersät mit unzähligen blasenförmigen Gebilden, jedes größer als ein Kleiderschrank. Im ersten Moment hielt Henry sie für Saugnäpfe. Doch er täuschte sich.
    Als der Arm ihn fast erreicht hatte, öffneten sich mehrere Dutzend der Blasen. Gewaltige, feucht glänzende

Weitere Kostenlose Bücher