Schummeln fuer die Liebe
Teresa. Die Ärmste, wenn sie das jetzt gehört hätte, würde es sie umhauen.
Papa ist gut gelaunt, als er uns ins Auto packt. DerKinderfilm scheint nicht allzu schlimm gewesen zu sein.
»Habt ihr Hunger?«, fragt er. Und als wir nicken, ist er hochzufrieden. »Wir treffen den Rest des Lohmaier-Stadler-Clans beim Mexikaner an der Freiheitsstraße«, ruft er. »Ich kann’s kaum noch erwarten. Enchilladas, hm, und leckere Guacamole …«
»Du hörst dich an, als bekämst du bei uns zu Hause nichts zu essen«, necke ich ihn.
»Doch«, quiekt Tonki. »Ich füttere ihn doch immer mit Gummibärchen.« Das Wort füttern erinnert Tiki daran, dass sie uns den ganzen Film von vorne bis hinten erzählen wollte. Tonki quatscht sofort mit. Die beiden kreischen und quietschen und kichern durcheinander.
Flo, der hinten mit ihnen auf der Rückbank sitzt, hält sich die Ohren zu. »Gibt es eigentlich keinen Lautstärkeregler für kleine Schwestern?«, murrt er.
»Dann würdest du uns den Saft abdrehen, was, Flo?«, kräht Tiki begeistert.
»Das kannst du nicht, das kannst du nicht«, singt Tonki.
»Ich kann euch den Hals umdrehen«, brummt Flo, aber es klingt nett und nicht böse.
Die beiden Kleinen brechen in kreischendes Gelächter aus und jetzt fängt Papa auch noch an zu singen: »Ich muss durch den Monsun, ans Ende der Welt, bis ans Ende der Zeit, bis kein Kind mich mehr quält …« Jetzt sind Tiki und Tonki nicht mehr zu halten. Bei Tokio Hotel flippen sie jedes Mal aus.
Ich sitze ganz still. Es ist der normale Stadler-Lohmaier-Wahnsinn. Wieso habe ich bloß das Gefühl, als gehörte ich nicht mehr so richtig dazu?
Beim Mexikaner sitzen die anderen schon in einer Nische hinter einem riesigen künstlichen Kaktus. Renate erzählt gerade von ihrer großen Schwester. Die hat einen Engländer geheiratet und ist mit ihm nach London gezogen. Sie und ihr Mann sind Archäologen und haben demnächst vor, bei einer großen Ausgrabung im Nildelta mitzumachen.
»Und was wird aus den Kindern?«, fragt Mum.
»Die Kleine nehmen sie mit. Sie kommt ja erst nächstes Jahr in die Schule. Und Baxter wohnt in der Zeit bei uns. Meine Schwester hat ihn an der Europäischen Schule angemeldet. Aber hauptsächlich soll er bei uns ein bisschen mehr Deutsch lernen.« Renate nimmt einen Schluck von ihrem Mojito.
»Antonia!«, ruft Mum. Aber es ist schon zu spät. Der Apfelsaft meiner Schwester überschwemmt den ganzen Tisch.
»Immer dasselbe!«, seufzt Papa und fängt an, den See trockenzulegen. Renate macht den Mund auf.
»Mit euch kann man doch nirgendwo hingehen!«, rufen Flo und ich im Chor und nehmen ihr so die Worte aus dem Mund. Wir kichern und Renate klappt den Mund wieder zu. Alles wie immer.
Kaum sind wir wieder zu Hause eingelaufen, klingelt das Telefon und Teresa ist dran.
»Wo warst du denn den ganzen Tag? Ich hab schon hundertmal bei dir angerufen.«
»Ääh!«, mache ich. Verflixt, wieso muss ich mich so blöd anstellen? »Im Museum!«, sage ich schnell.
»Alleine?«, fragt Teresa.
»Nein … Mit Flo«, sage ich gedehnt und dann hastig: »Mein Dad hat uns hingefahren und ist dann mit den beiden Kleinen ins Kino.« Oh Mann, es ist nicht zu überhören, dass ich ein schlechtes Gewissen habe. Aber wieso eigentlich? Früher ist Teresa doch auch nie mitgekommen bei so einem Familienausflug. Außerdem wäre eh kein Platz mehr im Auto gewesen.
Teresa schweigt. Was mach ich denn jetzt?
Ich fange an zu plappern. »Blöderweise ist mein Handyakku leer gewesen. Das hast du vielleicht gemerkt, als du angerufen hast. Dabei habe ich den ganzen Tag auf eine Nachricht von Raoul gewartet. Zu doof, was? Gestern Abend haben wir noch eine Ewigkeit telefoniert und heute wollte er mir mitteilen, an welchem Wochenende die Hütte frei ist …« Teresa, sag was, so langsam fällt mir nichts mehr ein!
Sie räuspert sich. »Hat er was gesagt?«
»Äh, nein! Natürlich nicht. Mein Akku war ja leer …«
»Ich meine Flo«, raunzt Teresa. »Ob Flo was gesagt hat. Über mich. Mann, bist du schwer von Begriff.«
»Ääh, nein! Eher nicht!«
»Was heißt eher nicht?«
»Habe ich das gesagt? Ich meinte, er hat nichts gesagt. Wir haben bloß über die Indianer gesprochen. Du weißt ja, wie er ist.« Uff, das ging gerade noch malgut. Wenigstens der letzte Teil meiner Rede hat einigermaßen normal geklungen.
»Klar!«, seufzt sie. »Ochsenfrösche, Indianer, Axolotl.«
Ich atme tief durch. Endlich sind wir wieder in
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