Schummeln fuer die Liebe
mit einer CD in der Luft herum.
»Du rätst nicht, was ich hier habe!«, ruft er aufgeregt und haut Baxter mit der Hand auf die Schulter. Er hält seinem Cousin die bunte Papphülle direkt vor die Augen.
»Ich muss mal aufs Klo!«, murmle ich und schlängle mich an den beiden vorbei. Ich muss wirklich und außerdem muss ich mich da draußen wieder beruhigen. Ich kann doch nicht den ganzen Abend als lebender Wackelpudding verbringen.
Es dauert ein bisschen, bis ich das Bad der Familie Ruprecht gefunden habe. Ich lasse mich auf der Klobrille nieder und schließe die Augen. Sofort tauchen Baxters blaue Augen wieder vor mir auf und ich spüre seinen Atem an meinem Ohr. Das ist ja nicht zum Aushalten. Einerseits will ich sofort wieder in den Keller zurück und andererseits habe ich den totalen Schissdavor. Ich stehe auf, wasche mir die Hände und begutachte mich im Spiegel. Kann man mir ansehen, wie ich mich fühle? Weiß nicht so genau. Das ist schwer zu sagen. Ach was, ich glaube nicht. Ich werfe meinem Spiegelbild eine Kusshand zu und will schon wieder nach draußen gehen, als es draußen an der Wohnungstür klingelt und ich gleich darauf Stimmen im Treppenhaus höre.
»Hey, Leute!« Das ist Sarah, Johanns Schwester. »Kommt rein. Ich bin gleich so weit. Will bloß noch meinem kleinen Bruder einen Besuch abstatten. Der hat heute Big Party. Kommt doch einfach mit.« Ich mache die Tür auf und sehe Sarah mit ihren Freunden die Kellertreppe runtermarschieren.
»Nun mach schon! Mein Bruder ist zwar ein Ungeheuer, aber er beißt nicht.« Das ruft sie in den Flur, irgendjemand scheint noch an der Garderobe herumzutrödeln. »Brauchst du eine Extra-Einladung, Phil?«
Ich bin viel zu erschrocken, um irgendwas zu unternehmen. Mit offenem Mund bleibe ich in der Klotür stehen und gucke zu, wie Raoul Winterstein alias Phillip Gross die Kellertür hinter sich zuzieht.
Wasserrattenjammer
Ich komme erst wieder zur Besinnung, als ich irgendwo am Flussufer stehe. Ziemlich weit von zu Hause und auch von Johanns Partykeller entfernt. Ich muss ziemlich kopflos hierhergerannt sein. Mein Herz wummert wie ein Vorschlaghammer und ich japse nach Luft. Erschöpft lasse ich mich am Ufer nieder. Es ist ziemlich kühl hier. Ein schneidender Wind bläst durch die Äste der Trauerweiden und lässt sie leise raschelnd hin und her schwanken. Im Wasser schwimmt ein Tier. Bestimmt eine Wasserratte. Ich lasse meinen Kopf auf die Knie sinken. Aus meinem Mund kommt ein klagender Ton. Es ist, als ob den irgendjemand von sich gegeben hätte. Irgendjemand, jedenfalls nicht Magdalena Lohmaier.
Warum bin ich denn bloß eben weggerannt? Wenn ich dageblieben wäre, hätte ich vielleicht noch irgendwas abbiegen können. Aber so? Jetzt ist alles vorbei. Alles! Ich sehe Teresa vor mir, wie sie auf Raoul-Phil einplappert, plappert und plappert und ihm dabei alles aus der Nase zieht. Jede kleine, blöde Einzelheit. Ich sehe, wie alle anderen aufmerksam zuhören und so langsam dahinterkommen, was ich für eine Betrügerin bin. Ich sehe Flo den Kopf ungläubig schütteln und Baxter,der tellergroße Augen vor Staunen kriegt darüber, dass er sich so in mir getäuscht hat.
Was soll ich bloß tun? Ganz kurz kommt mir der Gedanke, einfach in den Fluss zu steigen. Aber der sieht so kalt aus. Und dann die Wasserratten. Ich schüttle mich. Außerdem, lebensmüde bin ich trotz allem nicht. Aber blicken lassen kann ich mich auch nirgends mehr. Am liebsten würde ich laut schreien. Aber dann rennen hier die Leute zusammen und alles wird noch schlimmer. Ich beiße mir in den Handballen. Heiße Tränen rollen aus meinen Augen und klatschen auf meine Finger. Ich schniefe. Am besten, ich ziehe zu Oma. In Konstanz gibt es bestimmt auch eine Schule, in die ich gehen kann. Und nach dem Abitur haue ich ab ins Ausland. Irgendwohin. Bloß nicht nach England. Bei dem Gedanken an England kann ich mich nicht mehr halten. Ich heule und heule, bis ich mich innerlich ganz und gar ausgetrocknet fühle. Wieso hat man eigentlich nie ein Taschentuch dabei? Mit dem Handrücken wische ich mir im Gesicht herum. Aber da ist einfach nichts mehr zu machen.
Mühsam rapple ich mich hoch. Von der Kälte bin ich ganz steif geworden. Zu blöd, dass nachts keine Züge fahren. Dann könnte ich jetzt sofort zu Oma aufbrechen und bräuchte niemandem mehr unter die Augen treten. Mein Handy surrt. SMS! Bestimmt von Teresa. Ich schalte das Ding einfach aus, ohne nachzugucken. Ganz langsam mache ich mich
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