Schurken machen Krawall
die Bäuche vor gespielter Begeisterung und machten Hm-sind-die-lecker-Geräusche.
„Schön. Das freut mich“, sagte die Oma und legte Action-Bärbel einen Zettel und einen Stift vor die Nase.
„Dann schreib mal deine Telefonnummer auf, Kleines.“
Action-Bärbel nahm den Stift und schrieb sie auf. Die Oma nahm den Zettel, sah ihn sich an und überreichte ihn Horsti.
„Ruf ihre Eltern an. Und sag ihnen, dass sie auch die Eltern von …“ Fragend sah sie zu mir rüber.
„Sebastian“, sagte ich matt.
„… die Eltern von Sebastian benachrichtigen sollen.“
Der Schurke nahm den Zettel und verschwand im Flur.
Leise hörten wir ihn telefonieren, als es auf einmal mächtig schepperte. Der Lärm kam vom Dachboden. Plötzlich polterte Horsti die Holzstufen hoch. Das Lächeln verschwand aus dem Gesicht der Oma. Sie stand auf.
„Ihr bleibt sitzen, verstanden?“, befahl sie uns und folgte ihrem Sohn. Erst als sie im Flur verschwunden war, trauten wir uns, etwas zu sagen.
„Was sollen wir jetzt tun? Abhauen?“, fragte mich Action-Bärbel.
„Auf alle Fälle“, antwortete ich und wollte aufspringen.
Aber zu spät. Die Oma stand schon wieder im Türrahmen und wedelte mit einem dicken Schlüsselbund. Dann schloss sie die Küchentür hinter sich ab.
„Damit ihr nicht verloren geht!“, rief sie noch, bevor sie mit meckerndem Gelächter ihrem schurkischen Sohn folgte.
„Was ist mit dem Fenster?“, fragte ich, und Action-Bärbel rüttelte am Fenster.
„Das ist … verriegelt oder … verklemmt.“
„Warte, ich helfe dir!“ Ich sprang ihr zur Seite. Gemeinsam packten wir den Fensterknauf und zogen daran wie irre. Er bewegte sich nicht. Keinen Millimeter.
„Vielleicht können wir das Fenster mit den Keksen aufhebeln?“, schlug ich vor, und Action-Bärbel schnappte sich eines der steinharten Plätzchen und schob es unter den Rahmen. Sie hebelte und drückte.
„Autsch!“
Blitzartig ließ sie das Plätzchen los und starrte auf ihre Finger.
„Was ist?“, fragte ich.
„Ich hab mich an dem Plätzchen geschnitten.“ Action-Bärbel steckte sich den Finger in den Mund.
„Map du weita“, nuschelte sie mir auffordernd zu. Ich ergriff den Keks und versuchte, den Spalt zwischen Fenster und Rahmen zu vergrößern. Aber nichts geschah.
Erschöpft und frustriert ließen wir uns wieder auf die Stühle fallen.
„Mist. Verdammter Riesenmist!“, fluchte Action-Bärbel und begann, unruhig auf ihrem Stuhl hin und her zu rutschen. Über uns knarrte der Boden. Staub rieselte von der Decke. Wenn die mal nicht einstürzt, dachte ich.
Jetzt, wo wir alleine waren, sah ich mir die Küche genauer an. Von innen war das Haus sogar noch vergammelter und ungemütlicher als von draußen. Das ganze Haus war kariös. Es war in etwa so gut erhalten wie die Zähne von meinem Onkel Karl. Während ich mir bei Karl sicher war, dass sein klappriges Gebiss nur noch von seinem Zahnbelag zusammengehalten wurde, fragte ich mich, was genau dieses Haus hier beieinanderhielt. Der Schmutz oder der Schimmel? Ich war mir nicht sicher. Es war echt trostlos und sogar ein bisschen beängstigend. Denn statt schöner Bilder und Fotos von schönen Zeiten verstaubten hier Jagdtrophäen und ein altes Gewehr an den Wänden. Eine einzelne nackte Glühbirne baumelte an einem schwarzen Kabel von der Decke. In allen Ecken klebten uralte Spinnweben, in denen mumifizierte Spinnen hingen.
Die Möbel waren entweder alt oder kaputt oder beides. Auf dem staubigen, dreckigen Herd war seit Jahren nicht mehr gekocht worden. Der Kühlschrank war leer und stand sperrangelweit offen. So müffelte er wohl schon seit Ewigkeiten vor sich hin. Das ganze Haus roch faulig nach abgestandenem Wasser aus einem brackigen Tümpel.
„Sollen wir unseren Eltern sagen, dass der Spinnenmann oben festgehalten wird?“, fragte Action-Bärbel.
Ich war mir nicht sicher. Würden uns unsere Eltern glauben? Und was, wenn ja? Wären sie nicht auch in Gefahr? Würden uns die beiden Superschurken dann gemeinsam in der Dachkammer einschließen? Zwei Tage auf engstem Raum mit meiner Mutter würde ich nicht überleben! Die käme sicherlich auf die Idee, mich Vokabeln abzufragen oder Matheaufgaben lösen zu lassen oder so was. Nur um die Zeit angeblich sinnvoll zu nutzen. Dabei hatten wir doch Ferien!
Aber was würde passieren, wenn wir nichts sagten? Einfach die Klappe hielten? Aus irgendeinem Grund wollten die beiden Schurken den Spinnenmann ja in zwei Tagen eh wieder
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