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Schussfahrt

Schussfahrt

Titel: Schussfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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zu beglücken, du als internationaler
Vielvögler!«, entlud sich Jos ganzes Entsetzen.
    »Jo, schau«, Martl
sah wirklich unglücklich aus, »ich bin vielleicht eine Sau, aber als er mir
diesen Kollegen auf den Hals gehetzt hat, ein fettes, sabberndes Schwein …«
    »Aha, auch noch die
Vaseline-Fraktion!« Jo war so voller Hass. Vor allem auf sich selbst!
    Gerhard fuhr
dazwischen: »Es reicht jetzt, Johanna!«, und zu Martl: »Ich verstehe also
richtig, dass er dich zu Callboy-Diensten genötigt hat? Das war too much für
dich, du hast ihn auf den Berg gelockt und erschossen.«
    Martl schwieg, zu lange, wie Jo fand.
    Gerhards Stimme
wurde hart wie Stahl: »Ich sag es noch mal: Das ist kein Spiel mehr, ich bin
hier zwar momentan inoffiziell, aber wenn ich nicht sofort was von dir höre,
dann lass ich dich festnehmen. Die italienischen Kollegen sind da nicht
zimperlich und freuen sich, dem deutschen Kollegen behilflich sein zu dürfen.
Wir sind doch alle eine glückliche Familie von EU -Europäern.«
Schon wieder lag Zynismus in seiner Stimme.
    Martl räusperte
sich. »Ich wollte aus dem Vertrag raus, und Rümmele hat mir ins Gesicht
gelacht. Er hat mir eine detaillierte Aufstellung der Baukosten vorgelegt,
verglichen mit dem, was ich bezahlt habe. Ich sollte nur die Differenz
bezahlen, und schon sei der Vertrag passé.«
    »Wie viel?«
    »Fünfhunderttausend
und ein paar Zerquetschte«, sagte Martl gedehnt, »und die hab ich nicht. Die
letzten zwei Saisons lief es nicht so toll. Das Business ist knallhart
geworden. Die Newcomer haben von Anfang an auf den neuen Carvern trainiert. Ich
musste eine völlig neue Skitechnik erlernen. Ich fahr hinterher. Ich gehöre zum
alten Eisen, und der Olympiatitel liegt eben auch schon sechs Jahre zurück. Ich
konnte nicht zahlen.«
    Martl wirkte
verbittert, abgespannt, ein gebrochener Held, so wie eine dieser Gartenstatuen,
die schon mal strahlendere Zeiten gesehen hatten.
    »Weiter!«, zischte
Gerhard.
    »Wir waren im
Walsertal im Spielcasino, wieder so ein Rümmele-Event, auf dem ich anwesend sein
musste. Rümmele hielt den ganzen Laden frei, verlor ziemlich viel und sagte
dauernd: Spielschulden sind Ehrenschulden. Und weißt du, auch wenn er ein
Schwein war, er war ein ehrlicher Spieler.«
    Gerhard zog die
Augenbrauen hoch.
    »Ich weiß, das
klingt komisch, aber er hatte nur im Spiel einen Ehrenkodex, im Leben nicht.
Das brachte mich auf eine Idee: Lass es uns ausfahren. Gewinne ich, zerreißt du
den Vertrag, gewinnst du, bleibt alles beim Alten. Rümmeles Augen bekamen einen
irren Glanz, das war sein Ding. Na ja, und im Laufe des Abends war auch das
Reglement festgelegt: Ich würde am Ofterschwanger Horn am Gipfel starten, er ab
Mitte des Gipfellifts. Wahrscheinlich hatte er zu viel Inferno-Rennen in Mürren
gesehen. Er wollte ein Freeriding-Rennen abseits der Piste.«
    Jo fand das alles so
ungeheuerlich, dass sie für einen Moment ihren Hass vergaß. Hier ging es ums
Skifahren, sie war fasziniert. »Ich glaube eher, dass er sich im Pulver Chancen
ausgerechnet hat. Auf einer Piste hätte er auf jeden Fall verloren, selbst wenn
er noch viel weiter unten gestartet wäre.«
    In Martls Blick lag
so etwas wie Dankbarkeit. »Stimmt wahrscheinlich, aber da war bei ihm eine irre
Lust am Risiko. Er wollte unbedingt über die Hangschulter an der Geißrücken
Alpe durch die Bäume fahren und hatte als Ziel den Jägerstand oberhalb des
Hohlwegs ausgewählt. Klar, er kannte sich da aus, das war ja auch seine Jagd.
Ich hatte ehrlich gesagt einen Heidenrespekt. Du kennst die Tobel, die Bäume
stehen eng, und das Ganze noch im Dunkeln. Das war Wahnsinn.«
    Gerhard schüttelte
den Kopf. »Wahnsinn genau. Wie bescheuert bist du eigentlich? Wie im schlechten RTL -Mittwochs-Film, was für ein
albernes Männlichkeitsritual!«
    Martl nickte
gequält. »Klar, heute weiß ich das auch, aber es schien meine einzige Chance zu
sein!«
    Jo mischte sich ein: »Du bist also mit dem Lift um halb sechs hoch, Rümmele kam per Skidoo. Und
dann?«
    Martl schaute sie
verlegen an. »Wir wollten uns per Handy selbst starten, ich oben, er weiter
unten auf der Piste. Vielleicht versteht ihr das nicht, ich hätte ihm im
Geschäftsleben keine Sekunde vertraut, aber da schon. Er rief an, zählte von
zehn runter und schrie ›Go‹. Ich fuhr. Ich dachte mir, dass ich ihn spätestens
hinter der Alpe eingeholt haben würde, aber er war nirgends zu sehen. Okay, die
Bäume, aber da wurde mir erstmals klar, dass ich ein

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